Oder: Wie man 6 Dimensionen der Freiheit nutzt, um Rezipienten volle Immersion im nicht-linearen, interaktiven virtuellen Storytelling zu ermöglichen. 🤓
Virtual Reality bleibt in 2017 ein spannendes Thema. Auch die re:publica befasste sich damit. Man konnte fast zu jeder Stunde eine Diskussionsrunde, einen Vortrag oder einen Workshop zum Thema VR auf der re:publica 17 besuchen. Dazu gab es mit dem labore:tory ganze 4 Stockwerke, die speziell dem Thema der virtuellen Welten und all ihrer Spielarten gewidmet waren. Die Chance mit Fachleuten aus der Branche in Dialog zu treten oder von ihren Erfahrungen zu profitieren, konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Aber was sind die wichtigen Fragen, die es zu diesem Themenkomplex aus der Sicht eines Kommunikationsspezialisten zu beantworten gilt? Um sich eine Entscheidungsgrundlage zu schaffen, wäre wichtig zu wissen, was der Nutzer derzeit mit VR macht und was ihn in Zukunft daran interessieren wird, wie der aktuelle Nutzer aussieht und wie man ihn begeistern kann. Und natürlich wie man VR möglicherweise für die eigenen Kommunikationsziele nutzen kann. Diesen Fragen bin ich nachgegangen und habe meine Erkenntnisse in diesem Artikel zusammengefasst.
Was ist Virtual Reality?
Einen interessanten Einstieg bildet die Frage, was eigentlich unter Virtual Reality zu verstehen ist. Wikipedia hat hierzu eine einfache und schnelle Antwort parat:
“VR ist die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung einer Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung.”
Wenn diese simulierte Realität in Wechselwirkung mit der normalen Realität steht, wird von Augmented Reality (AR) oder Mixed Reality (MR) gesprochen.Beispielsweise bei einer Einblendung virtueller Inhalte mittels einer Brille, wie der Micrososft Hololens, in das Sichtfeld der Nutzer. Hierfür gäbe es zahllose Möglichkeiten der Anwendung. Wäre es nicht wunderbar, in einem Laden nicht mehr den Verkäufern nach jagen zu müssen, sondern auf einen virtuellen Knopfdruck alle Details eines Produkts von einem Avatar erklärt zu bekommen? Aber bleiben wir in diesem Artikel bei der vollen VR.
Erst seit einigen Jahren lässt sich die benötigte Technik für Endkunden zu erschwinglichen Preisen erwerben. Je nach Modell und zusätzlicher Ausstattung benötigt der Nutzer ein Set aus VR-Brille (Visueller Input, auch Head-Mounted Displays, oder kurz HMD, genannt), Headset (Audio Input) und Controllern (Interaktives Eingabeinstrument). Die Kosten hierfür belaufen sich zusammen auf etwa 1.100 € (Stand Mai 2017). Andere Möglichkeiten zur Nutzung von VR sind vorhanden, aber für den Nutzer längst nicht so erschwinglich. Eine dieser Alternativen wäre zum Beispiel die CAVE. Aber bleiben wir bei der derzeit verbreitetsten Nutzungsvariante in Form der VR-Brille und eines Headsets. Ist eine entsprechend leistungsstarke Hardware, wie ein PC oder eine PS4 vorhanden, kann der Nutzer via Websites, installierter Programme oder Spiele in der VR aktiv werden.
Was macht VR besser als 2D für den Nutzer ?
Eine der wichtigsten Antworten auf diese Frage geben John Cassey (Factory 42), Stephanie Llamas (Superdata Research), Aurelien Simon (Digital Catapult) und Robert Becker (IP Deutschland). In ihrer Session erläutern sie, dass es bei diesem neuen Medium vor Allem um die Qualität der Inhalte für den Nutzer gehen wird. Dabei wird in der Session vor allem von nativen Formaten für VR gesprochen. Also Inhalte, die spezielle für das Medium VR entwickelt werden oder wurden. Stephanie Llamas nennt hier als Beispiel, dass eine VR-Story dem Nutzer freie Wahl der Perspektive und Position lassen muss. Anders könnte er auch einen Film schauen. Die VR-Umgebung bietet dem Nutzer den Vorteil, dass er sich in alle Richtungen umschauen kann.

Im Unterschied zum 2D-Film müssen die einzigartigen Möglichkeiten der VR hierbei voll ausgeschöpft werden, damit ein Nutzer den Vorteil seiner Investition auch erleben kann. Stellen wir uns einen aktuellen Film vor. Derzeit geben Kameras die Perspektive vor. Man betrachtet durch ein Fenster eine Szene in einem Haus. Bei einem Film wartet der Zuschauer die nächste Szene ab. In der VR könnte er selbst entscheiden, wann er das Haus betreten will oder sich einfach umdrehen und zum nächsten Haus gehen. Diese neue Art der Erzählung wird als nicht-lineares, interaktives Storytelling bezeichnet. Geschichten müssen mit Blick auf diese Möglichkeiten ganz anders als für klassische Filme inszeniert werden. Nur durch so erarbeiteten und spannend gestalteten Content kann der Nutzer dafür begeistert werden, sich die entsprechende Hardware zu kaufen.
Woraus sich die Frage ableitet, was interessanten VR-Content ausmacht und wie man ihn erkennt, um ihn in der Kommunikation einzusetzen
Worauf sollte bei VR Content für Nutzer geachtet werden?
“Der wichtigste Vorteil von VR für Nutzer ist die Möglichkeit Geschichten und Dinge zu erleben, die sie in der Realität nicht erleben können”
stellt Gregoire Parain (COO bei Novelab VR Studio) fest. Laut ihm kann der Nutzer für gute Unterhaltung schon heute aus einer Vielzahl an Angeboten wählen: Ob aus den stetig wachsenden Onlineangeboten wie Netflix, Youtube, eSports und Co. oder alternativ den klassischen Offlinemedien, wie TV, Radio und haptischen Produkten. Um den interessierten, meist medienaffinen VR-Nutzer als Zielgruppe zu erreichen, muss man sich von 2D Angeboten abgrenzen. Sie gelten als technikaffin, experimentierfreudig, anspruchsvoll und finanzstark und sind somit beispielsweise oft Micro-Influencer oder haben als Opinion-Leader hohen Wert als Zielgruppe.
Um allerdings bei dieser Angebotsmenge einen Mehrwert für diese anspruchsvollen Nutzer und damit einen kommunikativen Wettbewerbsvorteil für sein Vorhaben durch die Nutzung von VR zu erlangen, wird seiner Meinung nach ebenfalls die Qualität des Contents ausschlaggebend sein. Er bezieht sich allerdings auf einen anderen Aspekt des bereits bekannten Quality of Content. Werfen wir einen Blick auf die Elemente neben der Geschichte und dem inhaltlichen Mehrwert, wichtig sind, um Nutzer zu begeistern.
Die VR-Dreifaltigkeit – 6 Dimension der Freiheit, Immersion und Interaktion
Immersion
Beschreibt den Grad des Eintauchens in die virtuellen Welten – idealerweise ohne Ablenkung durch die eigentliche Realität. Diesen Zustand des vollständigen Eintauchens in die virtuelle Realität, also die vollständige Immersion nennt man auch Präsenz. Jeder, der bereits aus einem spannenden Moment eines Films herausgerissen wurde und somit diesen Moment des Mitfieberns verloren hat, kann verstehen, wieso Immersion besonders wichtig ist.
Das bedeutet, die richtige Hardware vorausgesetzt: Je mehr Sinne bedient werden können, desto höher der Grad an Immersion. Wobei mindestens Augen und Ohren vollständig mit Informationen aus der virtuellen Welt versorgt werden sollten. Informationen über das Rezeptionsverhalten und wie Sinneseindrücke bei den Nutzern wirken sind hier besonders wertvoll. Nur mit diesen Erkenntnissen können die Sinne besonders immersiv bedient und eine Geschichte interessant erzählt werden. Passende Farben, Klänge und zukünftig auch Gerüche, Temperaturen, Tastterlebnisse und Vibrationen müssen für die Vermittlung von Botschaften ausgewählt werden. Sensory Mapping nennt sich eine Forschungsmethode, mit der diese Erkenntnisse gewonnen werden können. Sie sammelt unter Anderem durch neurologische GEhirnmessungen Details zu dieser Wechselwirkung zwischen virtuell erzeugten Sinneseindrücken und den durch sie ausgelösten Emotionen. Diese Erkenntnisse werden in Zukunft bei VR und dem Thema Immersion eine wichtige Rolle spielen. Einen sehr interessanten Einblick in die Welt der multisensorischen Möglichkeiten bot Grace Boyle auf der re.publica.
Wer hierzu auf dem Laufenden bleiben möchte, kann @gracekboyle folgen, von der mir folgendes Statement in Erinnerung bleiben wird:
”Getting together the informations what is conceived how by different audiences is essential for putting together an awesome message and story.”
Besonders da er nicht nur bezogen auf sensorische Informationen anwendbar ist.
6 DoF – Die 6 Dimensionen der Freiheit
Dieser Begriff beschreibt die Freiheit des Nutzers, sich in allen Ebenen der Bewegung frei zu entscheiden, wo er sein möchte.
Oben und unten werden derzeit von vielen Nutzern noch nicht stark genutzt. Im Gegensatz zu den normalen Bewegungsrichtungen vorwärts, rückwärts, rechts und links. Für die Platzierung von wichtigen Inhalten kann sich derzeit also auf diese Richtungen konzentriert werden. Für die Geschichte und im Sinne der Immersion sollten allerdings alle 6 Richtungen einbezogen werden. Dieses Alleinstellungsmerkmal der VR gegenüber anderer Medien ermöglicht es Nutzern, sich frei zu bewegen und nicht durch Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit aus ihrem Erlebnis gerissen zu werden.
Interaktion
Ja, es handelt sich um die gleiche, immer angepriesene und erstrebenswerte Interaktion, wie bei anderen Medien auch. Bei VR sind allerdings ganz neue Arten der Interaktion denkbar. Wieso ein Formular ausfüllen, wenn man sich auch mit einem voll animierten oder gerenderten Avatar eines Chatbots unterhalten kann? Oder man für die jeweiligen Interaktionsmöglichkeiten seinen Namen zur Abwechslung wirklich tanzen muss? Klingt abgedreht? Ist es auch. Aber es ist eben alles möglich.
Und gerade das sollte einem guten Kommunikationsprofi bewusst sein, wenn er sich über Interaktionen mit dem Nutzer Gedanken macht. Denkbar ist jede Art der kreativen Produktplatzierung. Man stelle sich nur vor, dass der Nutzer in den neuen Tesla einsteigt und losfährt, um zum nächsten Teil der Handlung zu gelangen und nicht dem Protagonisten dabei zuschauen muss. Oder ein Kugelschreiber, mit dem der Nutzer direkt seine Unterschrift unter einen rechtskräftigen Vertrag setzen kann.
Dabei ist besonders interessant, dass eine virtuelle Realität alle Vorteile der älteren Medien nutzen kann. Zusätzlich kann man völlig neue Wege gehen, um mit den Nutzern zu interagieren. Warum nicht bei “Schnell und Aufgebracht 25 VR” (Ein imaginärer Streifen über Autos) einfach auf Pause drücken und beim Autohändler virtuell ein Auto kaufen? Ein Shop-in-Entertainment-Paket vielleicht?
Solche Ideen hätte ich mir von IP Deutschlands Vertreter Robert Becker gewünscht, der auf die Frage nach Ideen für Platzierungsformate darauf hingewiesen hat, dass die Technik noch jung sei und man noch nicht viel Erfahrung habe.
Es gilt bei Interaktion: Je intuitiver für den Nutzer, desto besser. Zumindest bei der Absicht mit ihm in Kontakt treten zu wollen. Da es auch hierbei interessant ist den Grad an Immersion möglichst hoch zu halten, sollte man sich wie immer am Nutzer orientieren und ihm aus seiner Perspektive heraus die Wahl geben, selbst zu entscheiden, was er machen möchte.
Behält man also die VR-Dreifaltigkeit und das nicht-lineare Storytelling im Blick, hat man das nötige Grundwissen, um VR-Formate und Content beispielsweise für die eigene Marke, die Botschaft des Kunden oder das neue Produkt zu untersuchen und die Nützlichkeit für die Kommunikationsziele zu beurteilen.
Ein komplexes und interessantes Thema. Und dabei haben wir die Produktion von VR-Inhalten noch gar nicht angeschnitten.
OK…. wie kreiere ich meine eigene Welt?
Aber das können wir ja kurz nachholen. Zwei Branchen produzieren derzeit mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen VR Inhalte. Die klassische videoproduzierende Industrie und die Game Studios. Also entweder eine aufgezeichnete Version der Wirklichkeit oder die komplett kreierte 3D-Welt erschaffen in einer Game-Engine.
Je nach Bedarf und Interesse der angestrebten Zielgruppe unter den Nutzern kann es kosteneffizienter und effektorientierter sein, einer der beiden Herangehensweisen an die Produktion den Vorzug zu geben. Hierbei sind die Cineasten wohl die derzeit günstigere Wahl. Die besten Fahrradläden, Fahrradwerkstätten und Fahrradshops in Darmstadt findet man im Internet, zum Beispiel auf der Informationsseite zum Thema Fahrrad fahren in Darmstadt. Die Game Developer werden aber zusehends häufiger gebucht, da ihre Expertise in 3D-Umgebungen weiter vorangeschritten ist und sie große Erfahrung mit der 3D-Interaktion haben.
Mit Tools wie Tiltbrush und Gravity Sketch kann auch kostenlos und recht intuitiv eigener VR-Content erstellt werden. Allerdings braucht dies Zeit, Interesse und führt ohne einen entsprechenden Hintergrund selten zu zielorientierten Ergebnissen. Aber beide Tools eignen sich hervorragend, um ein Gespür für die Möglichkeiten der VR zu bekommen oder eine Idee zu visualisieren, die man virtuell anfassen kann.
Learn, make or buy?
Wie erwähnt sind die Preise für die benötigte Hardware seit der Entwicklung der VR stark gefallen. Auch die Anschaffungskosten für das VR-Produktionsequipment sind günstiger geworden. Trotzdem setzt sich der Preis für eine VR-Produktion weiterhin vor Allem aus den investierten Arbeitsstunden der beteiligten Spezialisten zusammen. Das macht eine pauschale Aussage fast unmöglich. Der Zeitaufwand der Produktion hängt von vielen Faktoren, wie Umfang, Detailgrad und Produktionsart ab. Aber wer eine ansprechende Qualität haben möchte, muss Story, Immersion, 6DoF und Interaktion für den Nutzer bereit halten.
Da Know-How hierfür der entscheidende Faktor ist, sind den Kosten keine Grenzen außer Wirtschaftlichkeit gesetzt. Derzeit mag es sich lohnen, auf neue Formate der VR zu achten und bereit zu sein, wenn ein neuer Trend aufkommt. Man denke an das virtuelle Facebook wie im Beitrag unten oder ein komplett neues virtuelles soziales Netzwerk.
https://www.facebook.com/zuck/videos/10103154531425531/
Hat man allerdings eine für den Nutzer interessante Geschichte, egal ob als Spiel oder als Film, lohnt sich der Gedanke, sein Produkt oder seine Marke mittels VR oder AR in Szene zu setzen. In jedem Fall macht es Sinn, sich mit dem neuen Medium VR besser früh als spät zu beschäftigen. So kann man sicher stellen, ob ein Schritt in die virtuelle Welt Vorteile für das eigene Unternehmen oder den Kunden biete und zum passenden Zeitpunkt gezielt VR für seine Ziele nutzen und mit passenden Inhalten einsteigen kann.
Denn es gibt derzeit keinen höheren, digitalen Interaktionsgrad, als den einer guten Virtual Reality für einen begeisterten Nutzer. Und lässt das nicht jedes moderne kommunikationsorientierte Herz höher schlagen?