Unser Alltag ist geprägt von Smartphones, Laptops und Online-Medien, die unsere Denk- und Lebensweise immer mehr beschleunigen. Ein Selbstversuch: Setzen Sie sich einmal acht Sekunden lang bewusst und ausschließlich mit der Startseite Ihres Facebook-Accounts auseinander. Vermutlich wird Ihnen diese Zeitspanne schon lange vorkommen und Ihnen werden Dinge auffallen, die Sie vorher nie bemerkt hatten. Vor allem die Verwendung von Suchmaschinen hat enorme Auswirkungen auf unsere Konzentrationsfähigkeit.
Vor zwei Wochen saß ich während des Content Strategy Camps in einer Session mit dem Thema Storytelling. Geschichten zu erzählen und Menschen zu emotionalisieren wird vor allem für geglücktes Marketing oder PR immer wichtiger. Der Dozent sprach im Laufe des Vortrags eine aktuelle Studie des National Center for Biotechnology Information an, die mich schockierte. Im Jahr 2000 betrug unsere Aufmerksamkeitsspanne noch zwölf Sekunden. Ein Goldfisch kann sich für neun Sekunden konzentrieren – wir sind inzwischen bei acht angekommen.
Die Studie offenbarte noch weitere Ergebnisse: Ein Büromitarbeiter checkt im Durchschnitt pro Stunde 30 Mal sein E-Mail Postfach. Und auch im emotionalen Bereich zeigt unser „always online“-Lebensstil vor allem bei den jüngeren Generationen erschreckende Auswirkungen: Jeder vierte Teenager vergisst wesentliche Details oder Informationen, die sein näheres Umfeld oder seine Familie betreffen. Wir scheinen verlernt zu haben, unseren eigenen internen Speicher – unser Gehirn – zu benutzen. Schließlich ist alles auf unseren Smartphones oder Tablets abgespeichert. Und wenn man andere Informationen benötigt, kann man ja immer noch danach googlen.
Das digitale Zeitalter wird zum Nervenkiller
Wir überfliegen Nachrichtenseiten und sind auch nach Feierabend noch für Kollegen oder den Chef erreichbar. Wir schauen Fernsehen, während wir die richtige Antwort auf eine „Wer wird Millionär?“-Frage googlen und uns gleichzeitig mit Freunden via Facebook zum Grillen verabreden. Und dann wundern wir uns, dass wir uns gestresst fühlen.
Dieser Stress entsteht, weil man denkt, etwas Wichtiges zu verpassen. Offensichtlich sind die meisten Informationen allerdings nebensächlich und trivial. Und dennoch: Würde ich beispielsweise nicht regelmäßig meinen Facebook-Account checken, würde ich wesentliche und wichtige Absprachen und Ankündigungen bezüglich meines Studiums verpassen. Denn die hauptsächliche Kommunikation mit meinen Kommilitonen verläuft über Facebook (egal ob nachts oder tagsüber, am Wochenende oder Werktag).
Als Konsequenz passt sich uns das Internet an und ist jederzeit, schnell und nahezu überall verfügbar. Auch die Strategien in Sachen Online-Marketing und Anzeigenformate fügen sich dem humanen, wissenshungrigen Eiltempo. Der US-amerikanische Wirtschaftsjournalist Nicholas Carr analysiert in seinem Buch „Wer bin ich, wenn ich online bin… Und was macht mein Gehirn solange?“ genau diese Entwicklung: Wir überfliegen Texte, Posts, Tweets immer automatisierter und setzen uns selten mit Inhalten konzentriert auseinander. Wir möchten immer up to date sein – in der Regel tun wir das über Online-Medien.
In unserer digitalisierten Welt
„(…) gewöhnen wir durch zunehmende Internetnutzung unser Gehirn immer mehr daran, abgelenkt und zerstreut zu werden – sprich: Informationen sehr schnell und sehr effizient zu verarbeiten, aber ohne dauerhafte Aufmerksamkeit“.
Doch was bedeutet das für Unternehmen und Arbeitgeber?
Viele Unternehmen haben bereits auf diesen Trend reagiert. PR-Maßnahmen oder Werbung über das Internet müssen auffallen, fesseln und in wenigen Sekunden die wichtigsten Informationen liefern. Es zählen die Klicks, Follower und Views und oftmals gar nicht, ob der potentielle Kunde vorm Bildschirm dann tatsächlich etwas bei einem Online-Versandhaus bestellt und zum Käufer wird. Bei Youtube ist es die Auto-Play Funktion, die am Ende eines Videos automatisch ein neues startet. Das Datenmonster Google perfektioniert sein Werbesystem, bei dem Versuch, schnellstmöglich unsere Interessen herauszufinden und passende Botschaften und Werbevorschläge dann so auffällig und optimal wie möglich anzuzeigen.
„Jeder Klick, den wir im Internet machen, bedeutet eine Unterbrechung unserer Konzentration (…) – und es ist im wirtschaftlichen Interesse von Google, dass wir so oft wie irgend möglich klicken. Das Letzte, was das Unternehmen will, ist, zu gemütlichem Lesen oder langsamem, konzentrierten Denken anzuregen“, so Carr.
Die oben genannte Studie zeigt außerdem, dass wir sowieso nur rund ein Drittel der Wörter einer Internetseite beachten. Wäre es nicht erfrischend, diesem Informationswahn mit einem Hauch Minimalismus entgegenzusteuern?
Zitate entnommen aus: Nicholas Carr: „Wer bin ich, wenn ich online bin… und was macht mein Gehirn solange? Wie das Internet unser Denken verändert“, Karl Blessing Verlag, 2010.