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Twitter: Wenn das zwitschern verstummt

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Einbahnstraße: Twitter als One-Way-Medium

„Stell dir vor, du tweetest, und keiner antwortet“ – um ganz frei Carl Sandbergs Vision überdrüssiger Kriegshandlungen zu zitieren. Schwer vorstellbar, feiern doch User und Medien gemeinsam Twitter als den Star der Peer-to-Peer-Kommunikation. Mit Blick auf eine aktuelle Studie von Harvard Business kommt der Microblogging-Dienst wohl eher nicht über das Dasein eines Starlets hinaus. Denn gerade einmal zehn Prozent der Twitter-User produzieren 90 Prozent aller Inhalte – jedes konventionelle Social Network besitzt eine weitaus höhere Beteiligungsquote.

Für die Untersuchung wurde das Nutzungsverhalten von rund 300.000 Twitter-Usern ausgewertet. Die Erkenntnisse waren eine Überraschung: Der durchschnittliche Twitterer beteiligt sich nur sehr verhalten am 140-Zeichen-Austausch.

Among Twitter users, the median number of lifetime tweets per user is one.

Die aus meinungspluralistischer Sicht eher ernüchternde Erkenntnis zeigt, dass sich Twitter vielmehr einem altbekannten Informationfluss zuneigt: wenige erzählen der Masse etwas, ohne dass es zu einem Austausch oder gar zum Diskurs kommt.

Bei typischen sozialen Netzwerken – z.B. Facebook – zeigt sich eine ganz anderes Bild: die aktivsten 10 Prozent der User generieren gerade mal 30 Prozent der Posts bzw. Inhalte.

Unterstützt wird das Studienergebnis auch durch die Erkenntnisse der Marktforscher von Nielsen. Nicht zu widerlegen ist zwar ein rasantes Wachstum der Twitter-Community in kurzer Zeit, aber in Sachen Kundenbindung sieht es schlecht aus. Nielsen zufolge verlassen rund 60 Prozent der User das Netzwerk bereits nach einem Monat wieder. Damit erreicht Twitter eine maximale Bindungsrate von 40 Prozent – Facebook oder Myspace hätten im vergleichbaren Entwicklungsstand eine bis zu doppelt hohe Rate erreicht.

Dumm nur, dass ein großes Publikum systemrelevant ist, um große Reichweiten zu generieren und letztlich Geld zu verdienen. Das genau plant Twitter: Mitbegründer Biz Stone kündigte bereits im Mai an, man wolle zukünftig Business-Tools gegen Bares anbieten. Höchste Zeit, sammelte Twitter doch mindestens 22 Millionen Dollar Risikokapital ein, um den Dienst am Laufen zu halten. Eine weitere Möglichkeit Twitter endlich mit der „Lizenz zum Gelddrucken“ auszustatten, wäre doch die Nutzerdaten zu verkaufen – theoretisch kein Problem: die Privacy Policies schließen es ja nicht aus.

Business Transfers: Twitter may sell, transfer or otherwise share some or all of its assets, including your personally identifiable information, […]

Was fehlt, ist eine beständige standhafte Userschaft. Was bleibt ist die Frage: wann der letzte Vogel verstummt.

  1. Die Frage, die sich bei den vielen Twitter-Nutzern, die ihren Account nach kurzer Zeit wieder kündigen, stellt, ist doch vor allem jene, warum sie wieder aufhören, ehe sie überhaupt angefangen haben?

    Ich denke das Problem ist hier vor allem in zwei Bereichen zu finden: Zum einen das anfangs fehlende Umfeld an Freunden, die den Verbleib nach der Erstellung eines Accounts interessant machen, zum anderen das fehlende Wissen, wie man das persönlich zugeschnittene Optimum aus dem Web2.0-Tool rausholen kann.

    Bei anderen Webplattformen wie Facebook, MySpace, WKW oder auch StudiVZ sind die eigenen Freunde oder auch Arbeitskollegen oft ebenfalls schon angemeldet, so dass man sich innerhalb kürzester Zeit ein großes Netzwerk an Freunden, Bekannten oder auch – mit ein wenig Glück – ehemaligen Schulkameraden und Co. aufbauen kann, die diese Plattformen zumeist aus einem ganz bestimmten Grund aufgesucht haben: alte und neue Kontakte zu knüpfen bzw. zu pflegen und am Leben zu erhalten.

    Diesen Grundgedanken kann Twitter nur bedingt umsetzen, da es fast ausschließlich auf Kommunikation ausgelegt ist und nicht primär auf die Pflege von Kontakten. Das ist in diesem Fall eher ein positives Abfallprodukt, welches sich aus dem Austausch von Statusmeldungen ergibt.

    An dieser Stelle ist übrigens anzumerken, dass interessanterweise gerade der Austausch von Statusmeldungen innerhalb der Social Networks gerne und viel genutzt und auch kommentiert werden (siehe Facebook oder auch StudiVZ mit dem umfunktionierten „Buschfunk“) – wohl aber auch, weil mehr als 140 Zeichen zur Verfügung stehen.

    Mein Bezug auf das fehlende Wissen, wie man sich eine eigene Twitter-Community aufbaut, die als ständige Informationsquelle vor sich hinsprudelt, lässt sich ganz gut daran erkennen, dass viele Accounts, die sich wieder von Twitter abmelden, zumeist keine zehn „Verfolgten“ beisammen haben. Ohne weit reichendes – und vor allem meinen Interessen angepassten – Netzwerk macht Twitter kaum Sinn, geschweige denn Spaß. Dieser ergibt sich aus dem kommunikativen Miteinander. Ob das nun der Austausch von Linktipps, Hinweisen zum eigenen Befinden oder tatsächlich nur der belächelte persönliche Status-Tweet ist. Wer bereit ist mitzuzwitschern, der wird ab einem gewissen Punkt auch Spaß daran entwickeln und dabei bleiben. Die zehn Prozenz der Nutzer, die jene 90 Prozent an Content produzieren, haben dieses System nämlich bestens verinnerlicht…

    Natürlich möchte ich nicht verschweigen, dass es auch eines gewissen Eigenanteils bedarf, um sich ein persönliches Netzwerk an Followings und Followern einzurichten. Auch hier gilt: von Nichts kommt Nichts.

    Schließlich funktioniert Twitter im Prinzip wie jedes andere Mitmachangebot und –tool im Web: Wer „allein bleibt“ und keinen wechselseitigen Nutzen erfährt, dem wird es schwer fallen, die Motivation langfristig hochzuhalten.

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