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Sind wir schlecht ausgebildet?

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Sind unsere AbsolventInen nicht geeignet, nach dem Studium in einer Agentur zu arbeiten? Das zumindest scheint Uwe Kohrs, Präsident der Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA), zu glauben. In der Novemberausgabe des prmagazins bemängelt er im Artikel „Persönlichkeiten verzweifelt gesucht„, dass PR-Agenturen keine „geeigneten Mitarbeiter“ mehr fänden.

Müssen wir uns Sorgen um unsere berufliche Zukunft machen? Foto: www.JenaFoto24.de / pixelio.de
Müssen wir uns Sorgen um unsere berufliche Zukunft machen?
Foto: www.JenaFoto24.de / pixelio.de

Zum Einen sieht er auch das „miese Image des Agenturberufs“ als einen Grund. Zum Anderen sei aber die Qualität der BewerberInnen schlechter als früher, da Hochschulen und andere (privaten) Ausbildungsinstitutionen zu wenig Wert darauf legen, dass Studierende auch soziale Kompetenzen erwerben und ihre Persönlichkeiten entwickeln können. Darum will er jetzt „Universitäten und private(n) Ausbildungsinstitutionen“ in die Pflicht nehmen. Natürlich machen wir uns jetzt, ein halbes Jahr vor unserem Bachelor-Abschluss, Gedanken über unsere Zukunft in der PR-Branche.

Sind wir nach dem Studium nicht gut genug ausgebildet, um einen Job zu finden?

Nein, sagen Julia-Maria Blesin, Lan Anh Nguyen und Nina Krake, Vorstand der PR Studierenden Hannover e.V. (PRSH): Die „Professionalisierung des Berufsfeldes wäre ohne fundierte und umfassende PR-Ausbildung nicht möglich“. Diese Meinung vertreten sie in ihrem Kommentar zu den Äußerungen des GPRA-Präsidenten im PR Journal. Sie bemängeln außerdem, wie andere KommentatorInnen auch, dass Uwe Kohrs seine Anforderungen an die BewerberInnen nicht konkretisiert. Sie erkennen: Bei der fehlenden Sozialkompetenz und mangelnden Persönlichkeitsentwicklung während des Studiums „handelt es sich nicht um ein spezifisches „Problem“ der PR-Branche, sondern vielmehr des universitären Ausbildungssystems“. Auch Ernst Primosch, Deutschland-CEO von  Hill + Knowlton, äußert diese Kritik im prmagazin. Der Argumentation von Blesin, Nguyen und Krake folgen auch die meisten der KommentatorInnen: Sascha Stoltenow, Sina Petzold und Robert Hesse sind sich einig, dass das Problem weniger bei den Hochschulen und Absolventen liegt, sondern vielmehr auf Agenturseite – sei es nun eine (in vielen Fällen) schlechte Bezahlung oder die langsame Anpassung an neue Anforderungen von Seiten des Markts und der Arbeitnehmer.

Ist der Stellenmarkt bereits abgegrast? Foto: Paul-Georg Meister / pixelio.de
Ist der Stellenmarkt bereits abgegrast?
Foto: Paul-Georg Meister / pixelio.de

Nein, sagt auch Tapio Liller, Inhaber der Agentur Oseon, im firmeneigenen Blog: „Die Suche nach qualifizierten Einsteigern für den PR-Beruf ist seit jeher eine Herausforderung.(…) Nur an einem liegt es nicht: Den Hochschulen.“ Vielmehr sieht er die Agenturen in der Pflicht, mehr in die Praxisausbildung zu investieren. „Wer fertige PR-Leute quasi “ab Werk” erwartet, wird der Realität nicht gerecht“, erklärt er und stößt damit in das selbe Horn wie die PRSH: „Wir sind der Meinung, dass niemand von einem jungen Menschen erwarten kann und darf, dass er als „perfekter PR-Berater“ in den Beruf einsteigt – zumal dies wohl auch kaum in den Generationen vor uns der Fall war!“ Als entscheidenden Punkt sieht Liller außerdem, dass die Arbeit auch finanziell anerkannt wird: „Wer nur billige Berufseinsteiger rekrutiert, um Margenziele zu erreichen, wird diese Einsteiger wieder verlieren, sobald sie wissen, was ihre Leistung wert ist.“

Uwe Kohrs äußerte sich gegenüber dem PR-Journal noch einmal zum Thema Bezahlung – gefragt war nach dem Einstieg mit einem Master-Abschluss, also nach mindestens fünf Studienjahren: „Aus unserer Sicht sollte das Einstiegsgehalt für Trainees nach dem Studium bei ca. 20.000 Euro brutto pro Jahr liegen.“ Als hätte sie diese Antwort schon vorausgesehen, schrieb Sina Petzold bereits drei Tage vor Veröffentlichung dieses Interviews in einem Kommentar zum Artikel im PR Journal: „Mich wundert es im Übrigen überhaupt nicht, dass die jungen, talentierten Absolventen nicht in Agenturen wie die von Herrn Kohrs wollen. Da muss man nämlich trotz guter Ausbildung sowie Erfahrungen dank Praktika und Werksstudententätigkeit für einen Hungerlohn nochmal mind. ein Jahr Ausbildung (Trainee) dran hängen.“

Wir freuen uns auf spannende Aufgaben in der Zukunft. Foto: Stephan Bachmann / pixelio.de
Wir freuen uns auf spannende Aufgaben in der Zukunft.
Foto: Stephan Bachmann / pixelio.de

Nein, sagen auch wir. Gerade haben wir unsere dreimonatige Praxisphase (und damit unser zweites Praktikum im Rahmen des Bachelor-Studiums) abgeschlossen – und zwar erfolgreich. Egal ob Agentur, Unternehmen, Zeitungs- oder Fernsehredaktion: Unsere Arbeitgeber bescheinigten uns, dass wir neben den richtigen (Fach-)Kenntnissen, auch eine sehr selbstständige Arbeitsweise mitbringen. Viele von uns beendeten das Praktikum mit einem Jobangebot – als Werkstudierende oder sogar Festangestellte. Natürlich haben wir noch nicht ausgelernt. Einerseits gibt es Themen, die auch ein sehr praxisbezogenes Studium nur bedingt bzw. theoretisch vermitteln kann (z.B. Auftragsakquise und die längerfristige Kundenbetreuung). Andererseits verändert sich besonders in der Onlinekommunikation immer noch viel – und das wird auch so bleiben. Viel wichtiger als die Kenntnisse der aktuellsten Tools oder Statistiken finden wir daher Lernbereitschaft und Neugier auf neue Kommunikationsformen. So wählt auch Tapio Liller seine künftigen MitarbeiterInnen aus: „Hauptsache er oder sie bringt Neugier, Lernwillen und eine gesunde Portion Ehrgeiz mit, den Kommunikationsberuf in all seinen Facetten zu erlernen.“

Noch ein Nachsatz: Ein Blick auf die Website von Uwe Kohrs’ Agentur Impact offenbart, dass diese bereits zum 1. Juni 2013 einen „PR Junior-Berater (m/w)“ suchte. Voraussetzungen für BewerberInnen: „(…) abgeschlossenes Hochschulstudium und mindestens drei Jahre Berufserfahrung in einer PR-Agentur, Pressestelle oder in einer Redaktion“. Angaben zur Gehaltsvorstellungen für eine/n Junior-Berater/in macht die Agentur nicht. Da die Anzeige noch online ist, scheint die Stelle bisher nicht besetzt zu sein. Die Bewertung dieser Information darf jede/r selbst vornehmen…

  1. Oliver Bernasconi

    Sehr guter Beitrag! Schön zu sehen, wie eine solche Pauschalkritik fundiert auseinander genommen wird.

    Und wenn sich die Agenturen bei der Bezahlung mal am Tarifvertrag Tageszeitungen orientieren würden (oder zumindest mal in diese RIchtung), wäre es sicher auch mit dem schlechten Agentur-Image ganz schnell vorbei.

  2. Sina Petzold

    Ein toller Beitrag, danke dafür! Ich muss sagen, ich bin inzwischen dankbar, dass Herr Kohrs diese Diskussion angestoßen hat und bin begeistert von der Professionalität und Leidenschaft mit der die Studierenden diese Debatte führen. Und ich bin froh über so viele Kollegen in der Branche, die anders denken als Herr Kohrs und sich hinter die Studierenden/Absolventen stellen.

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