Verfasst von
Dieu Anh Nguyen, Tu Anh Dang
Zwischen Herz und Algorithmus – Wie KI das Recruiting verändert
Du scrollst durch ein Jobportal und plötzlich spricht dich eine Anzeige genau an: modern, sympathisch, direkt auf deine Stärken zugeschnitten. Ist das Zufall? Nicht immer, denn vielleicht steckt ein KI-Tool dahinter.
Künstliche Intelligenz (KI) ist längst nicht mehr nur ein Buzzword in der Tech-Branche. Auch in der Welt der Kommunikation und Personalgewinnung übernimmt sie zunehmend eine zentrale Rolle. Besonders spannend wird es im Employer Branding – also der Art und Weise, wie Unternehmen sich als attraktive Arbeitgeber darstellen. In diesem Blogbeitrag schauen wir uns an, wie KI den Bewerbungsprozess auf beiden Seiten verändert: aus Unternehmenssicht und aus Sicht der Bewerber:innen.
Botschaft mit System – Wie KI Unternehmen hilft, richtige Talente zu finden
Smart & sympathisch – KI macht die Stellenanzeige zur Einladung
Unternehmen setzen KI gezielt ein, um ihre Jobanzeigen attraktiver zu gestalten. KI-Tools analysieren Formulierungen in Echtzeit und geben Hinweise darauf, wie inklusiv oder motivierend ein Text wirkt. Statt der Standardfloskel „Sie sind teamfähig und belastbar“ schlägt ein Tool zum Beispiel emotionalere oder aktivere Formulierungen vor, die besser zu bestimmten Zielgruppen passen.
Das Ziel: Menschen sollen sich angesprochen fühlen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Hintergrund. KI hilft dabei, Sprachmuster zu erkennen, die unbewusst ausschließend wirken könnten. Damit wird die Stellenausschreibung nicht nur technisch optimiert, sondern auch menschlicher.
Personalisierte Karriereseiten – Willkommen in deinem Unternehmen
Ein weiteres Einsatzfeld ist die Gestaltung von Karrierewebseiten. Große Konzerne wie Siemens oder Deutsche Bahn experimentieren bereits mit KI-gestützten Websiten, die Inhalte je nach Nutzungsverhalten anpassen.
Wer sich für kreative Berufe interessiert, bekommt andere Inhalte angezeigt als jemand, der technikaffin ist. Auch regionale Angebote oder Erfahrungsberichte von Mitarbeitenden werden individuell hervorgehoben. So entsteht der Eindruck: Dieses Unternehmen spricht direkt mit mir.
Matching statt Massenmail – KI im Bewerbungsprozess
Auch bei der Auswahl von Bewerber:innen greifen viele Unternehmen mittlerweile auf KI zurück. Lebensläufe werden automatisch gescannt, Bewerbungen nach bestimmten Kriterien vorsortiert. Manche Firmen nutzen sogar KI-basierte Videoanalysen, um Mimik, Sprachverhalten oder Gestik zu bewerten – ein Trend, der nicht unumstritten ist.
Denn: Wie objektiv kann eine Maschine sein? Und wie menschlich bleibt der Prozess, wenn Entscheidungen zunehmend automatisiert werden? Die Kritik an möglichen Verzerrungen (Bias) und fehlender Transparenz wächst – zurecht. Gleichzeitig betonen Unternehmen die Vorteile: mehr Effizienz, weniger Vorurteile, wenn die Systeme gut trainiert sind.
Echt oder nur perfekt? Wenn KI Stellenanzeigen auf uns zuschneidet
Wie KI auf Bewerber:innen wirkt
Für Bewerber:innen kann KI ein echter Vorteil sein – zum Beispiel, wenn Stellenanzeigen endlich verständlich, inspirierend und inklusiv formuliert sind. Wer sich vorher nie in einem Jobtext wiedergefunden hat, liest plötzlich etwas, das zu den eigenen Werten und Stärken passt.
Doch es bleibt ein ambivalentes Gefühl: Wird man wirklich als Person gesehen – oder nur als Datensatz im System? Gerade junge Bewerber:innen wünschen sich Authentizität und echte Kommunikation. Wenn alles zu perfekt klingt, wirkt es manchmal auch ein bisschen unecht.
Zwischen Begeisterung und Berechnung – digitaler Blick aufs Ich
Auch personalisierte Karriereseiten wirken auf viele Bewerber:innen beeindruckend – aber nicht immer ehrlich. Wer merkt, dass ihm eine „maßgeschneiderte“ Seite gezeigt wird, fragt sich: Was steckt wirklich dahinter?
Während einige den Service schätzen, fühlen sich andere beobachtet. Hier wird deutlich: Employer Branding mit KI ist mehr als Design und Usability – es geht auch um Vertrauen.
Time for Tipps: für eine smarte und glaubwürdige Umsetzung
1. Sprache bewusst gestalten – aber menschlich bleiben
KI-gestützte Tools wie Textio helfen dabei, Stellenanzeigen inklusiver und ansprechender zu formulieren – zum Beispiel genderneutral oder zielgruppengerecht.
Beispiel: Das Unternehmen Accenture nutzt solche Tools, um Begriffe wie „durchsetzungsstark“ oder „leistungsorientiert“ zu ersetzen, wenn sie potenziell abschreckend für bestimmte Gruppen wirken könnten.
2. Vielfalt abbilden – nicht standardisieren
KI darf nicht nur die „Durchschnittsbewerber:in“ ansprechen – sondern sollte vielfältige Perspektiven und Bedürfnisse berücksichtigen.
Beispiel: Unilever verwendet eine KI-basierte Plattform, die Inhalte für Karriereseiten in mehreren Sprachen und kulturellen Kontexten automatisch anpasst – je nachdem, wo sich der/die Nutzer:in befindet.
3. Transparenz schaffen – Vertrauen aufbauen
Wenn KI im Auswahlprozess eingesetzt wird, sollten Bewerber:innen ehrlich darüber informiert werden – z. B. auf der Karriereseite oder im Anschreiben.
Beispiel: Das Start-up HireVue, das KI-gestützte Videointerviews anbietet, weist offen auf die Verwendung von Algorithmen zur Analyse von Antworten und Körpersprache hin – inklusive Verweis auf Datenschutzrichtlinien.
4. Technik als Ergänzung, nicht als Ersatz
KI kann den Recruiting-Prozess effizienter machen – aber der menschliche Kontakt bleibt entscheidend, gerade im späteren Bewerbungsverlauf.
Beispiel: IKEA nutzt automatisierte Chats zur Bewerbervorqualifikation, verbindet diese aber mit echten Gesprächen durch HR-Mitarbeitende, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
5. Daten verantwortungsvoll nutzen
Personalisierung durch KI basiert auf Daten – diese müssen sensibel und transparent verwendet werden.
Beispiel: Die Deutsche Bahn bietet auf ihrer Karriereseite eine transparente Übersicht, welche Daten erhoben werden (z. B. Standort, Klickverhalten) und wie daraus personalisierte Jobvorschläge entstehen – inklusive Opt-out-Möglichkeit.
KI im Employer Branding – Brücke oder Barriere?

Künstliche Intelligenz verändert die Art, wie Unternehmen und Bewerber:innen miteinander kommunizieren – und das ist erst der Anfang. Sie bietet große Chancen: für effizientere Prozesse, bessere Ansprache und mehr Inklusion. Aber es braucht Transparenz, Fingerspitzengefühl und klare Regeln.
Ob KI zur Brücke oder zur Barriere wird, entscheidet nicht die Technik, sondern wie wir sie nutzen. Für uns als angehende Kommunikator:innen heißt das: Wir sollten diese Entwicklungen verstehen, kritisch hinterfragen – und mutig mitgestalten.