Podcasts sind so angesagt wie nie zuvor. Manch einer spricht gar von einem regelrechten Boom. Trotz allem haben Podcasts den Sprung aus der Nische noch nicht endgültig geschafft. Wie kam es zum Hype und welche weiteren Hürden müssen noch überwunden werden?
Auch auf der re:publica waren Podcasts in aller Munde. Neben besuchten Sessions trafen wir uns vor Ort mit Max Jacob Ost vom Fußball-Podcast Rasenfunk, der uns einige Fragen beantwortete und seine Eindrücke aus dem Alltag eines Podcast-Produzenten teilte.

Immer mehr Deutsche hören zu
Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2016 liegt die aktuelle Anzahl der Podcast-Hörer bei 7,5 Millionen Menschen in Deutschland. Immerhin 3,5 Millionen Hörer mehr als noch im Jahr 2014. Für ein fast 20 Jahre altes Medium ein beachtlicher Aufwärtstrend. Wie ist dieser Aufschwung zu erklären?

Für Max kommen da zwei Faktoren zusammen: Die einst sehr technisch geprägte Podcast-Szene hat sich infolge der einfacher werdenden Produktionsmöglichkeiten auch dem Mainstream geöffnet. Vielfalt ist das Stichwort: Sport, Politik oder Lifestyle – Podcasts informieren, unterhalten und helfen beim Einschlafen. Darüber hinaus können Hörer eigenständig entscheiden, wann sie was hören möchten. Egal, ob beim Kochen, im Fitnessstudio oder auf dem Weg zur Arbeit: On demand beherrscht den Markt – linearer Konsum war gestern.
Stiefmutter Apple und iTunes vergeudetes Potenzial
Obwohl noch ca. 70 % aller Podcasts über iTunes abgerufen werden, scheint Branchenprimus Apple seine zentrale Podcast-Bibliothek weitestgehend zu vernachlässigen. Die unübersichtliche Benutzeroberfläche, eine schlechte Suchfunktion und die seit Jahren von öffentlich-rechtlichen Formaten dominierten iTunes-Charts verdeutlichen diesen Eindruck aus der Sicht des Nutzers.

Aber auch die Podcast-Produzenten haben an der Abhängigkeit von iTunes zu knabbern. Wer auf der Suche nach Metriken ist, die über die einfachen Download- und Abonnentenzahlen hinausgehen, wird bitter enttäuscht. Fehlende Analysemöglichkeiten zur Vermarktung bei Hörerschaft und Werbepartnern hemmen die Professionalisierung der Formate.
Als Podcast-Romantiker hält sich die Melancholie bei Max diesbezüglich jedoch in Grenzen. Denn mit mehr Zahlen steigt auch die Gefahr, dass der Podcast-Markt zukünftig von einer Werbeflut überschwemmt wird. Kann man mit dem Podcasting also kein Geld verdienen und bleibt es für die meisten Produzenten nur ein sehr zeitaufwendiges Hobby?
It’s all about the money
Für die Vorbereitung der Rasenfunk-Schlusskonferenz investiert Max ca. 12–14 Stunden, exklusive der Aufzeichnung und Postproduktion. Zusätzlich zu Beruf und Familie ein nicht zu unterschätzender, zeitlicher Aufwand. Grund genug, den Rasenfunk zum Beruf machen zu wollen. Wie geht man dieses Vorhaben richtig an? Zur Monetarisierung von Podcasts haben sich drei unterschiedliche Herangehensweisen herauskristallisiert:
Der vermutlich erfolgreichste Weg ist die Einführung einer Pay Wall. Zusätzliche Inhalte im Austausch gegen Bezahlung – klingt nach einem fairen Deal. Da iTunes keine Bezahlfunktion unterstützt, nutzen Produzenten neben PayPal oder direkter Überweisung das Angebot vom Crowdfunding-Service Patreon. Nutzer haben hier die Möglichkeit, einen regelmäßigen, selbstbestimmten Beitrag zur Unterstützung der aufgeführten Projekte zu zahlen.
Mit zunehmender Reichweite werden Podcasts auch für Werbetreibende interessanter. In den USA belief sich das Werbevolumen in 2016 auf 167 Millionen US-Dollar – Tendenz steigend. Die Werbebotschaft wird meist vom Podcast-Moderator selbst zu Beginn einer Episode vorgetragen und wirkt dementsprechend authentisch.

Max hingegen hat sich für das zäheste der drei Modelle entschieden. Er finanziert sich ausschließlich durch Spenden und nimmt derzeit zwischen 800 und 1.000 Euro ein. Um seinen eigentlichen Beruf als freischaffender Social-Media-Berater aufgeben zu können, müsste sich diese Summe mindestens verdreifachen. Dennoch möchte er auf Premiuminhalte und Werbung verzichten. Seine Hörer mit kleinem Geldbeutel und die Unabhängigkeit gegenüber Werbetreibenden sind ihm wichtiger. Es braucht also eine größere Reichweite, um den Rasenfunk auf eigene Beine zu stellen.
Streaming-Dienste in Lauerstellung
Eine größere Hörerschaft, Monetarisierungsmöglichkeiten und mehr Statistiken versprechen insbesondere die Streaming-Dienste Spotify, Deezer und Amazon-Tochter Audible. Abseits von iTunes und RSS-Feeds dringen sie in den Markt ein und möchten das Medium Podcast endlich massentauglich machen. Mit der exklusiven Bereitstellung des erfolgreichsten deutschen Podcasts „Fest & Flauschig“ von Jan Böhmermann und Olli Schulz gelang Spotify bereits ein erster Coup. Mit ihrem Call for Papers-Format wählte Audible einen anderen Ansatz auf der Suche nach neuen Formaten.
Innerhalb der Community mehren sich jedoch auch kritische Stimmen, die den Podcast als ur-demokratisches Medium in Gefahr sehen. Durch entstehende Abhängigkeiten einer Plattformisierung könnten Zugangsbarrieren aufgebaut werden und die lebendige Community auseinanderbrechen.
Was braucht es denn zur Massentauglichkeit?
In einer aktuellen Statista-Umfrage nannten Befragte die fehlende Zeit als einen der Hauptgründe gegen das Hören von Podcasts. Auch wenn die Einstiegshürde mit einer zweistündigen Folge des Rasenfunks sehr hoch sei, hält Max diese Annahme für einen Irrglauben: „Wenn man dem Medium erst mal eine Chance gibt, kommt man so schnell nicht mehr davon los. Denn beim Abwaschen oder auf dem Weg zur Uni findet man plötzlich die Zeit.“
Ein weiteres Hemmnis ist die Unbekanntheit vieler Podcasts. Christian Bollert, Geschäftsführer des Internetradios detektor.fm, sieht hierbei insbesondere „die Anderen“ in der Pflicht. Auf der re:publica legte er in seiner Session „Wie Podcasts mehr Leute erreichen können“ den Finger in die Wunde und formulierte einen Wunschzettel, um das Medium Podcast weiter voranzubringen:
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=ozFWDBPlT4c&w=560&h=315]
Zuallererst braucht es „offene Standards statt closed Shops“. Dazu gehört die barrierefreie Bereitstellung der Podcasts sowie die Versorgung der Produzenten mit Daten & Statistiken. Digitalkonzerne, Öffentlich-Rechtliche und Podcast-Szene müssen hierfür zusammenarbeiten.
Die eigentliche Grundvoraussetzung für das Streamen von Podcasts ist aber eine stabile Internetverbindung. Da Podcasts oftmals unterwegs gehört werden, sieht Christian auch die Mobilfunkanbieter in der Pflicht: „Wieso bezahlen wir im europäischen Vergleich so viel für unsere mobilen Daten? Warum werden in Deutschland nach wie vor keine echten Flatrates angeboten?“
Auch in Sachen Netzneutralität besteht Handlungsbedarf. Wenn bestimmte Dienste, wie beispielsweise Spotify, bevorzugt werden und das Datenvolumen nicht belastet wird, sehen kleinere Podcast-Produzenten alt aus.
Fragt Christian bei Autobauern oder der Deutschen Bahn nach einer Podcast-Strategie, schaut er meist in ratlose Gesichter. Entertainment-Systeme in Autos, Zügen und Flugzeugen werden immer größer und aufwendiger. An die Einbindung von Podcast-Datenbanken dachte offensichtlich noch niemand.
Innerhalb der Podcast-Community wächst der Wunsch nach der Entwicklung einer sozialen Audioplattform. Bisherige Ansätze wie Clammr oder Anchor haben noch nicht im gewünschten Maße gefruchtet. Es bleibt abzuwarten, ob die Live-Audio-Funktion von Facebook hierbei einen neuen Stein ins Rollen bringt.
Die Nische als Chance?
Es braucht also noch so einiges, um den Podcast der breiten Masse schmackhaft zu machen. Einige Beteiligte haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt, andere scheinen die Attraktivität des Mediums zu übersehen. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlecht. Die Podcast-Szene lebt von ihrer aktiven Community, der dezentralen Organisation und den vielen Idealisten wie Max, die den Podcast vor einer zu starken Kommerzialisierung schützen möchten. Mit dem Nischendasein hat es sich in eine Position gebracht, aus der das Medium langsam und stetig wachsen kann.
tl;dr
Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit. Derzeit hören ca. 7,5 Millionen Deutsche Podcasts. iTunes wird als zentrale Podcast-Bibliothek von Apple vernachlässigt und bietet wenig Möglichkeiten für Nutzer und Produzenten. Streaminganbieter haben die Zeichen der Zeit erkannt und positionieren sich im Podcastgeschäft. Die Podcast-Community hingegen fordert offene Standards und sucht die Zusammenarbeit mit Digitalkonzernen und Öffentlich-Rechtlichen.
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CC BY 2.0 – My Podcast Set I by Patrick Breitenbach (Flickr)