Die PR-Abteilung des WWF ist momentan wirklich nicht zu beneiden. Vor etwa einer Woche (Mittwoch) flimmerte die Doku „Der Pakt mit dem Panda“ von Wilfried Huismann (Teil 1, Teil 2) über die deutschen Fernseh- und Computerbildschirme. Dabei wurde die Zusammenarbeit des WWF mit der Wirtschaft scharf kritisiert und die Kooperation mit Gentechnik-Konzernen vorgeworfen. Alle Vorwürfe hat der WWF selbst zusammengestellt und kommentiert. Die WDR-Doku löste einen Sturm der Entrüstung unter den zahlreichen WWF-Unterstützern aus, ein Shitstorm der allerersten Güteklasse. Und als am Donnerstagabend die Kommunikation um 18 Uhr Feierabend machte, erntete der WWF auch noch den belehrenden Zeigefinger der Blogger. Zurecht?
Diesem ersten Ansturm war der WWF nicht gewachsen. Scheinbar in Schockstarre verfallen, bezog er auf der Webseite erst am nächsten Tag Stellung. Für die PR-Blogosphäre eine untolerierbar lange Zeitspanne, um sich intern zu beraten, die Informationen zusammenzutragen, sie zusammenzufassen und vorwurfsbezogen zu reagieren. Das mag richtig sein, wenn so ein Thema am Vormittag aufpoppt, und eine PR-Abteilung von 4-5 Leuten die Sache stemmen kann. Erst Recht gilt das, wenn schon Tage vorher bekannt ist, was für eine Welle da auf die PR-Abteilung zurollt. Die Kritik, keinerlei oder schlechte Krisenkommunikation betrieben zu haben, wollte der WWF so nicht auf sich sitzen lassen und veröffentlichte eine interessante Chronik der Kommunikationsabläufe. Sie zeigt, dass mit sehr limitierter Menpower (zu Beginn 1-2 Leute) eine umfangreiche Krisenkommunikation eingeleitet wurde – unvorbereitet sieht anders aus. Die ergriffenen Maßnahmen waren keine Schnellschüsse sondern als leere Hüllen vorhanden, die erst nach Bekanntwerden der Filminhalte befüllt werden konnten. Dass der Feierabend zur besten Postingzeit um 18 Uhr am Donnerstag nicht der klügste Schachzug war, ist auch dem WWF bewusst.
Bei allem Verständnis muss gesagt werden: Der WWF hätte es sicher etwas leichter haben können. Thomas Knüwers Kritik, der Verband hätte seine Anhänger besser auf die kritische Dokumentation vorbereiten sollen, um dem Paukenschlag etwas seine Wirkung zu nehmen, ist berechtigt. Auf Twitter hat der WWF das auch versucht, und darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter den Film selbst erst zum ersten Mal sehen. Warum nicht auf Facebook, wo sich deutlich mehr WWF-Fans mit einer vermutlich deutlich stärkeren Markenbindung bewegen? Aber auch hier reagierte der WWF erst am Donnerstagvormittag.
Doch ansonsten hat er sehr vieles richtig gemacht, was aber außer Klaus Eck niemanden so recht zu interessieren scheint.
Ja,die Krisenkommunikation lief schleppend an. Und nein, der Shitstorm wurde nicht mal im Ansatz abgewendet oder abgeschwächt. Vermutlich hätte der WWF noch vieles besser machen können, doch vieles wurde auch richtig und umsichtig angegangen. Das Social Media Team hat laut eigener Aussage zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Posts auf Facebook gelöscht. In Anbetracht der teils stark beleidigenden und verleumdenden Posts, die nach wie vor auf der Pinnwand eintrudeln, ist das glaubhaft. Die Pinnwand ist weiterhin für Fanposts geöffnet, die Emotionen werden also keinesfalls unterdrückt. Stattdessen versucht der Verband, die Diskussion auf einem Kanal zu bündeln und hat dafür direkt am Donnerstagvormittag ein Forum freigegeben, indem das Thema diskutiert wird. Das senkte zumindest dort offenbar die Trollrate. Ein Großteil der Facebook-Fans scheint lediglich seinem Ärger Luft machen zu wollen, ohne an einer sachlichen Diskussion interessiert zu sein.
Thomas Knüwer kritisiert in seinem Blogbeitrag, dass sich die Gegenargumente des WWF „trocken, verklausuliert, unauthentisch“ lesen. Man kann die Ausdrucksweise des WWF aber auch anders betrachten: Als sachlich und neutral. Der WWF-Fan sorgt sich doch, dass der Verband nicht die Dinge tut, für die er einzustehen angibt. Mit klaren Fakten widerlegt der WWF das bestmöglich. Es zeigt, dass der Verband die Sorgen ernst nimmt und seine Unterstützer umfassend aufklären will. Die Frage ist, was die Menschen sonst milde stimmen soll, wenn nicht eine lückenlose Entkräftung der Vorwürfe.
Auch agiert der Verband in jeder Hinsicht transparent. Sicherlich hätte der WWF am ersten Tag noch ein paar Stunden dranhängen müssen, aber wenn klar ist, dass das Team jetzt wirklich mal schlafen muss, ist das noch die glaubwürdigste und menschlichste Entschuldigung. Ein Verweis auf die Nachtschicht hätte hier vielleicht geholfen. Auch sonst ist der Interessierte stets auf dem Laufenden gehalten. Marco Vollmar, Mitglied der WWF-Geschäftsleitung, bittet (ganz menschlich) um Verständnis dafür, dass eine lückenlose Aufklärung nicht innerhalb von kurzer Zeit gewährleistet werden kann. Und auch sonst gibt der WWF sein bestes. Das Widerlegbare wird widerlegt, und auf der Diskussionsplattform erhalten Diskussionswilligen Antworten auf Ihre Fragen. Dabei setzt der Verband auch Video-Statements ein, um eben nicht nur verklausuliert und nüchtern rüberzukommen. Mit einem Wiki zeigt der WWF, wie der interne Pressespiegel sinnvoll für die externe Kommunikation eingesetzt und mit der eigenen Position verknüpft werden kann. Das Wiki wurde heute ergänzt und soll in den nächsten Tagen noch wachsen.
Alles in allem setzt der WWF in seiner Krisenkommunikation auf viele Kanäle, ein umfangreiches Informationsangebot und versucht die Beziehung zu seinen Verbandsmitgliedern durch offenen Dialog zu kitten. In Anbetracht der Ressourcen hat der Verband Beachtliches geleistet. Jedoch sind damit noch nicht alle Probleme gelöst:
Auf der Facebook-Pinnwand von WWF Deutschland herrscht immer noch das Chaos. Dialog und Meinungsfreiheit in allen Ehren – hier wird deutlich, dass der ein oder andere Social-Media-Verantwortliche des WWF sehr wohl schon mal ein Buch zur Krisenkommunikation in der Hand hatte. Aber wenn Verleumdungen auf der Pinnwand hingenommen werden, ist die Gefahr groß, dass andere Fans dem Glauben schenken und somit der Verband einen noch größeren Imageschaden erleidet. Dies scheint der WWF mittlerweile selbst auch so zu sehen, und behält sich kündigt doch ein Eingreifen in Extremfällen an:
Außerdem hat der WWF darum gebeten, Fragen zusammenzufassen und als Paket abzugeben, weil das Diskussionsforum von wenigen einzelnen Nutzern, aber dafür exzessiv benutzt wurde. Alle Fragen sollen beantwortet werden. Ganz scheint das aber nicht möglich zu sein. Bei einem Katalog mit zwölf Fragen eines schon in den vergangenen Tagen sehr aktiven Nutzers kapitulierte der WWF und bot stattdessen ein Hintergrundgespräch in Berlin an. Das ist verständlich, aber für alle anderen User des Forums bleiben 12 unbeantwortete Fragen zurück und das nicht eingelöste Versprechen, alles zu beantworten.
Die Kommunikationsabteilung vom WWF Deutschland hat einen kühlen Kopf bewahrt. Was sie noch nicht geschafft hat, ist, die Gemüter ihrer Fans abzukühlen. Die Dokumentation hat unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt einen großen Imageschaden verursacht. Zwar hat das Thema gnädigerweise in den Medien keine großen Wellen geschlagen, die empörten Fans sorgen aber für den viralen Effekt. Die vielen Kanäle und umfangreichen Informationen hindern viele Leute nicht, das Doku-Video auf die Facebook-Pinnwand zu posten und mit einer Hasstirade zu versehen.
Die negative Potenzial des Themas schien der NGO von Anfang an bewusst zu sein. Der WWF Deutschland muss sich fragen, warum er seine Fans nicht früher auf Facebook abgeholt und auf die Dokumentation eingestimmt hat. Es wird einiges an Mühe kosten, die Wut und Verunsicherung der Mitglieder zu beseitigen und das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Schließlich geht es nicht nur um die breite Akzeptanz, sondern auch um die damit verbundenen Spendengelder. In Anbetracht des hochemotionalen Themas, der geringen Ressourcen und der schwierigen Ausgangsposition hat sich die PR-Abteilung wacker geschlagen: zielorientiert und unermüdlich – trotz der Herkulesaufgabe, die vor ihr lag und noch liegt. Ein echter Marathonläufer eben.
[…] Krisenkommunikation des WWF im Shitstorm: Marathonlauf statt Schockstarre – PR-Fundsachen […]
[…] auch der Beitrag von Jan Stockmann für die PR-Fundsachen der Hochschule Darmstadt. Unter „Krisenkommunikation des WWF im Shitstorm: Marathonlauf statt Schockstarre“ geht auch er ausführlich auf die Schritte des WWF […]
Wir haben unser Informationsangebot noch einmal erweitert und einen zweiten Faktencheck online gestellt, in dem wir auf alle Vorwürfe detailliert eingehen. Wir freuen uns, wenn Ihr Euch selbst ein Bild macht. Zum Faktencheck gelangt ihr hier: http://bit.ly/lHxkzb. Euer Feedback ist gern gesehen! Hier geht es außerdem zu unserem Diskussionstool: http://bit.ly/mHvxbJ