Vor ein paar Tagen hatte Sven Meister ein Problem mit dem UMTS-Empfang seines Handys. Etwas genervt twitterte und bloggte er darüber, äußerte seinen Unmut über den Anbieter, die Deutsche Telekom. Eine gewöhnliche Situation? Sicherlich. Ungewöhnlich ist hingegen, dass Meister damit die Aufmerksamkeit bei der Telekom erregt hat. Und noch ungewöhnlicher ist, dass sie Kontakt aufnimmt, mit „@telekom_hilft“. Das ist der Twitter-Account, mit dem die Telekom den Dialog mit ihren Kunden sucht und Service in 140 Zeichen bieten will. Bisher scheint der Plan aufzugehen. 2047 Follower, 78 Listeneinträge und 925 Tweets sprechen für sich.
Der Telekom-Account ist seit dem 5. Mai aktiv. Nach sechs Monaten soll Bilanz gezogen werden. Zu Beginn waren es sieben Mitarbeiter, die Support-Anfragen über Twitter beantworteten, vor allem aber unzufriedene Kunden suchten. Durch Monitoring-Tools grast die Telekom scheinbar das Twitternetzwerk nach Begriffen wie „Telekom“, „T-Online“ oder ihren Angeboten wie „Entertain“ ab und nimmt Kontakt zu den Kunden auf, die ihrem Ärger auf Twitter Luft gemacht haben. Die Telekom schöpft die technischen Möglichkeiten aus: Das Monitoring beschränkt sich nicht auf Hashtags. Meisters Post zeigt, dass auch Twitterer, die ganz ohne Hashtags zwitschern, von der Telekom gefunden und angeschrieben werden.
Die Resonanz auf den neuen Service war groß. Offenbar größer als erwartet, denn schon nach kurzer Zeit hatte sich das Team vergrößert, um dem Ansturm gerecht zu werden. Dabei muss es nicht verwundern: Wer als größter Telefonanbieter in Deutschland so gezielt nach unzufriedenen Kunden sucht, wird nicht nur einmal fündig. Vor allem da viele Kunden erstmal ihren Unmut im Social Web äußern, bevor Sie die Hotline in Angriff nehmen – wenn sie es überhaupt tun.
Oft werden Hotlines schon gar nicht mehr in Betracht gezogen, weil sie ganz unternehmensunabhängig schon mit Warteschleife und zermürbenden Computerfragen asoziiert werden. Wenn solche Kanäle nicht mehr oder nur ungern genutzt werden und Unternehmen den Kontakt zu ihren Kunden nicht verlieren wollen, müssen sie neue Kommunikationswege finden – oder vorhandene, intensiv genutzte Plattformen richtig nutzen. Das versucht die Telekom jetzt. An der Resonanz auf den Twitter-Account wird deutlich, wie überfällig das Angebot war – aber auch wieviel Relevanz die Präsenz in sozialen Netzwerken hat. Und damit ist eine Präsenz gemeint, die über das Verlinken von News und Pressemitteilungen hinaus geht.
Diese Erfahrungen hat auch der amerikanische Kabelsender Comcast gemacht, der sein Image durch intensive Kundenbetreuung auf Twitter aufpolieren konnte und als einer der großen Vorreiter auf dem Gebiet gilt. Und auch einer der großen Telekom-Konkurrenten, 1&1, beantwortet auf dem Account @1und1 schon seit längerer Zeit Kundenanfragen, zusätzlich zu den verkündeten Unternehmensinfos, allerdings nicht in der Menge, in dem es die Telekom tut. Jetzt denkt auch 1&1 über einen eigenen Serviceaccount nach. Das zeigt eine direkte Frage an die Kunden auf dem Account, einen Tag vor dem Start des Telekom Angebots.
Zurück zu @telekom_hilft. Eines sticht immer wieder ins Auge, wenn man die Tweets liest: Die Kunden werden nicht möglichst schnell abgefertigt. Kurzer Smalltalk, Smileys und Reaktionen auf persönliche Details der Kundenanfragen vermitteln das Gefühl, dass sich die Mitarbeiter Zeit nehmen – und Verständnis für die Wehwehchen der Kunden aufbringen. Eine kleine Randnotiz: Das Team ist sich über „Sie“ und „Du“ noch nicht ganz einig ist, das ist aber eine verzeihbare Baustelle. Vor dem Schreiben dieses Artikels wollte ich den Service natürlich auch getestet haben – mit ambivalentem Ergebnis.
Meine erste (einfache) Frage unter der Woche gegen Abend wurde innerhalb von acht Minuten beantwortet. Störend war das nicht, da ich die Zeit bis zur Antwort nicht mit Warten beschäftigt war. Hier liegt der Mehrwert des Angebots. Die Hemmschwelle für eine Frage ist noch geringer als bei einer E-Mail, eine Frage oder ein Problem wird nebenbei gelöst. Am Samstag wollte ich noch eine Schippe drauf legen: Genaue Infos zu meinem Handyvertrag wollte ich haben. Doof nur, dass die Telekom schon nach einer Woche @telekom_hilft nicht mehr am Wochenende für seine Kunden zur Verfügung steht. Am ersten Wochenende nach dem Start bekamen Kunden ihre Fragen sowohl Samstags, als auch Sonntags beantwortet.
Wir sind an dem Punkt, der in der Blogosphäre schon vielfach angesprochen wurde: Es wird darauf ankommen, ob die Telekom das Niveau halten kann bzw. ob die über Twitter angesprochenen Kunden damit zufrieden sind. Zumindest bisher lassen die Reaktionen auf @telekom_hilft vermuten, dass das der Fall ist. Bei mit geht der zweite Kontakt übrigens nicht mehr ganz so flott vonstatten. Ich scheine nicht der einzige gewesen zu sein, bei dem während des Wochenendes eine Frage aufkam. (Edit: Die Anfrage wurde am Dienstagvormittag durch einen Anruf der Telekom beantwortet.)
Twitteraccount ist kein Allheilmittel
Die Ziele, die die Telekom mit ihrem Angebot umzusetzen versucht, scheinen klar: Bei Fragen zur Stelle sein, auf den Kunden zugehen, ihn an die Hand nehmen, ihn nicht alleine lassen. Doch kann ein kleines Team von 7+x Mitarbeitern die zähen Strukturen umgehen oder auflösen, die Kunden normalerweise bei Problemen durchlaufen müssen? Wohl kaum. Bei technischen Beschwerden, die nicht über eine Auskunft gelöst werden können, wird das weitere Vorgehen wie bei mir über Direct Message (oder später über E-Mail) abgehandelt. Wie lange es dann dauert, bis der Techniker wirklich vor der Haustür auftaucht, liegt wohl nicht mehr in der Macht des Twitterteams und ist für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar.
Aber genau das ist die große Chance der Telekom. Die ehemals unzufriedenen Kunden sind vorerst zufrieden gestellt, denn jemand hat sich ihrer Probleme angenommen. Weitere Unmut-Tweets können warten. Die Gefahr für die Telekom besteht darin, dass sich der eigene Service als Bumerang entwickelt. Der Twitter-Account ist ein guter Anfang, doch wenn der daraufhin folgende Technik-Support nicht stimmt, dürfte die Negativ-PR der User in Kürze ungleich größere Wirkung hinterlassen. So entstünde noch mehr Aufmerksamkeit, da der Konzern mit dem Account selbst ins Rampenlicht der Social Networks getreten ist.
Mutiger als eine „Wir sind für Sie da“ Werbung im Stil von 1&1 mit Heilsbringer Marcel Davis ist das Unterfangen allemal. Mutiger, aber eben auch risikoreicher. Doch die Telekom kann auch gewinnen: Mehr Sympathien, zufriedenere Kunden und darunter vielleicht sogar ein paar aktive Fürsprecher im World Wide Web dürften der Telekom sicher sein. Und schon lässt sich erahnen, woher die Risikofreude kommt.
Schöner Beitrag, der die Entwicklungen im Web in Sachen Kundenservice und -support auf den Punkt bringt: Da sein, zuhören und wenn möglich direkt reagieren bzw. helfen.
Ein Positivbeispiel der selben Branche mit Langzeiterfolg ist im übrigen der Account von Vodafone Deutschland (@vodafone_de). Mehr oder minder zur „Es ist deine Zeit“-Kampagne aufgesetzt, hat man sich vom Promocharakter weg sehr frühzeitig auf den Support konzentriert. Wenn @telekom_hilft einen ähnlichen Punkt erreichen sollte, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung =)
[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von TextGestaltung erwähnt. TextGestaltung sagte: pr-fundsachen.de über die Möglichkeiten der Kundenbetreuung per Twitter am Beispiel von @telekom_hilft http://bit.ly/ddHvuj […]
Sehr interessanter text,
@Daniel Rehn: da stimme ich dir voll und gaz zu(:
Ein sehr informativer Artikel
@Daniel Rehn: da stimme ich dir zu
[…] der Recherche zum Artikel über @telekom_hilft blieben einige Fragen offen. Dabei wollten wir es nicht belassen und haben […]
[…] Den einen Unternehmen gelingt dies Mal mehr, den anderen Mal weniger. Eine Hilfe ist dabei unter anderem auch Facebooks „Like“-Button, der laut Unternehmensmeldung ähnlich anderen Social Plugins schon auf mehr als 100.000 Seiten eingebunden ist. […]
Einer der das richtige schreibt,volle Zustimmung von mir.