Die Vertrauenskrise, der Bayer-Stunt und die Zukunft der Werten in der PR – eine Welt im Wandel.
I. PR Trust Crisis und wie sie zu überwinden ist
Thomas Dillmann, Chefredakteur des PR-Journal, traf sich mit Richard Edelman, dem CEO und Präsidenten der weltweit größten inhabergeführten Kommunikationsagentur Edelman.
Im Interview geht es in erster Linie um jüngste Entwicklungen der deutschen Edelman-Niederlassung. Der neue CEO Ernst Primosch ist ein guter bekannter von Richard Edelman und wurde aufgrund seiner Überzeugungen in Bezug auf Kommunikation ausgewählt. Seine Ansichten passen perfekt auf die Philosophie der weltweit agierenden Agentur.
Edelman erstellt regelmäßig einen weltweiten Trust-Barometer. Der jüngste Barometer aus dem Frühjahr 2018 besagt: nur noch 42% der Deutschen vertraut auf die Medien. Für Unternehmen sei das eine Herausforderung, der man sich stellen muss. Richard Edelman meint: “Reinhängen, statt raushalten!”. Laut einer Sonderausgabe des Trust-Barometers vertrauen nur 27% der Deutschen den Informationen, die sie aus sozialen Medien bekommen. Man kann von einer waschechten Vertrauenskrise für Unternehmen sprechen. Edelman ist der Meinung, dass Unternehmen sich selbst um den Wiederaufbau von Vertrauen bemühen müssen. Jedes Unternehmen hat eine gesellschaftliche Verantwortung und sollte sich dieser auch bewusst werden.
II. PR Stunt: Bayer und der Monsanto Deal
Wo wir schon dabei sind, machen wir bei einer weiteren relevanten Entwicklung zum Thema Trust Crisis weiter. Bayer ist nämlich seit neuestem etwas größer geworden. Das Pharmaunternehmen hat am 7. Juni den US-Riesen Monsanto offiziell übernommen und dafür 60 Milliarden Dollar hingeblättert. Monsanto steht als Hersteller von Unkrautbekämpfungsmittel mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat und als Hersteller von gentechnisch verändertem Saatgut stark in der Kritik. Als Pharmaunternehmen muss sich Bayer sowieso oft mit harter Kritik auseinandersetzen. Die Übernahme von Monsanto dürfte also PR-technisch ein doch sehr kompliziertes Kunststück werden.
Bereits Mitte September 2016 wurde bekannt, dass Bayer Monsanto übernehmen wird. Die Kommunikationsabteilung von Bayer hatte also reichlich Zeit, sich zu überlegen, wie genau die Übernahme behandelt werden sollte, um das Abfärben des schlechten Images von Monsanto auf Bayer zu vermeiden – beziehungsweise zu minimieren. Der Schlüssel ist maximale Dialogorientierung. Bayer muss den Diskurs führen. Sich nicht wegducken. Der Kritik entgegenstehen und aufgrund von Fakten argumentieren. In Zeitungen duellierten sich Bayer-Top-Manager bereits mit dem Chef der Grünen und mit einem Mitglied der Geschäftsleitung von WWF. Der Dialog mit WWF wurde durch einen vorausgegangenen Video-Schlagabtausch zwischen WWF und Bayer.
Die Themenplattform “Hier sind die Fakten” wurde von Bayer ins Leben gerufen. Hier werden Fragen rund um Glyphosat, Pflanzenschutz, Landwirtschaft und Gentechnik geklärt. User können hier Fragen an Bayer richten und Kritiker bekommen eine Plattform. Das sorgt für mehr Dialog und sollte Bayer zugute kommen. Wir sind dabei zweigeteilter Meinung.
Einerseits: Die Kommunikationsmaßnahmen von Bayer scheinen Früchte zu tragen. Die vorher emotionalisierte Debatte um Glyphosat ist mittlerweile stärker faktenbasiert und betrachtet Pro und Contra relativ ausgewogen.
Andererseits: von einer ausgewogenen Diskussion kann an vielen Stellen nicht geredet werden. Bayer kommuniziert stark von oben herab, wie wir im DRILLLINK vom 8. Juni bereits kritisierten.
III. Das DPRG Zukunftsforum 2018 – ein Camp für Werte
Am 28. und 29. Juni fand das vierte DPRG Zukunftsforum in Hamburg statt. Es ging verstärkt um Wertvorstellungen, deren Vermittlung und Weiterentwicklung – vor allem in der digitalen Transformation – und welche Rolle dabei Berufsverbände wie die DPRG spielen. Die Konferenz wurde als Barcamp angekündigt und sorgt damit für die richtige Menge an Dialog zwischen alten Hasen und jungen Talenten, Unternehmen und Agenturen oder auch Journalisten und Pressesprechern.
Christian Maertin ist Head of Corporate Communications bei Bayer und fordert die PR dazu auf, Transparenz im Sinne von ehrlicher, umfassender Information und einer Offenheit gegenüber anderen Ansichten zu verstehen. Die Glaubwürdigkeit einer Botschaft wird seiner Meinung nach durch das Schaffen von Dialog gefördert. Unternehmen brauchen unbedingt Werte. Wie genau diese Werte zu verstehen sind, wie sie kommuniziert werden und für welche Werte eine Organisation einstehen sollte, sind wichtige Fragen, die im Rahmen einer dialogbasierten Konferenz vorangebracht werden. Werte sollen dabei nicht nur leere Worte sein, sondern auch das Ableiten von Handlungsempfehlungen ermöglichen. Ein Unternehmen ohne auf Werte bezogene Positionierung wird in Zukunft immer schwieriger Vertrauen gewinnen können.