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Kleiner Button, große Wirkung: Like!

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Seit fast einem Monat dürfen Internetnutzer den Like-Button außerhalb von Facebook einfügen und klicken: Kleine Funktion, große Wirkung und noch größere Diskussionen. Es gibt kaum Themen, die nicht in Verbindung mit Facebooks Open Graph diskutiert werden:

Und das ausgelöst von den blauen, wenige Pixel großen Buttons mit weißer Aufschrift Like. Die Debatten sind nicht neu, sondern immer wiederkehrende Themen im Social Web. Scheinbar lassen sich alle Themen auf den Like-Button herunterbrechen. Was macht ihn so relevant?

Die Facebook-Funktion ist ein Katalysator für Diskussionen, deren Ursachen viel tiefer im Social Web verborgen liegen, aber bisher nur schwer zugänglich waren: Aus den Tiefen einer scheinbar unendlichen Vernetzung taucht der Like-Button an die Oberfläche und zeigt uns, wie Netzwerke funktionieren und wie sie Informationen verbreiten. Selten war die soziale Vernetzung im Internet und deren Rückwirkung auf das Web so greifbar und anschaulich. Die Like-Funktion zeigt Chancen und Risiken dieser Entwicklung. Ihr Erfolg veranschaulicht beispielhaft, auf welchem Fundament soziale Netzwerke errichtet sind und wie sie und ihre Inhalte durch menschliches Verhalten gesteuert werden.

Der blaue Button steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Was lehrt er uns über die Verbreitung von Inhalten? Welche sozialen Mechanismen greifen dabei? Warum ergeben sich daraus interessante Möglichkeiten für die (individualisierte) Massenkommunikation? Was bedeutet das für Inhalte? Und warum dürfen PR-Praktiker nicht wegschauen? Aber beginnen wir von vorn.

Wie funktioniert’s?

Die Like-Funktion erstellt einen Social link. Jeder kann die Funktion auf seiner Website, seinem Blog oder einzelnen Artikeln einbinden. Klickt ein Besucher auf Like oder Gefällt mir, verknüpft sich der Inhalt oder Artikel eines Corporate Blog mit seinem Facebook-Profil. Ergebnis: Meine Kontakte auf Facebook lesen auf der Pinnwand, welche Inhalte mir gefallen.

Durch die Verknüpfung von Menschen mit Inhalten erzeugt Facebook personalisierte (Social) Links. Inhalte schwirren nicht mehr als abstrakte Datenpakete auf einer Metaebene durch das Internet: Der Artikel, der einst nur über die Kategorien International/Wirtschaft auffindbar war, ist nun auch ein Artikel, der einer Person gefällt und auf Facebook steht. Aus der Perspektive von Kommunikatoren erhalten Inhalte eine neue Relevanz. Sobald sich Inhalte an Menschen koppeln, sind Strukturen erkennbar. Populäre Inhalte erzeugen eine Sogwirkung und ziehen weitere Nutzer an. Zeitaktuelle Themen lassen sich ablesen, Trends decken sich auf, aufkeimende Diskussionen sind erkennbar.

Das gemeinsame Ziel: Inhaltsverbreitung

Neben der Personalisierung von Inhalten steht die Inhaltsverbreitung im Mittelpunkt. Deswegen ist die neue Funktion auch für Unternehmen oder Institutionen interessant. Sie installieren die Funktion, um ihre Inhalte zu verbreiten. Das selbe Ziel verfolgt auch der Nutzer, der auf Like klickt. Beide Seiten verfolgen das gleiche Ziel, was einen interessanten Ansatz für die Kommunikation liefert und erklärt, wieso die Hemmschwelle für die Installation und den Klick des Buttons gering ist.

Die Gründe für die Nutzung sind verschieden. Nutzer möchten auf sozialen Netzwerken ihr Profil schärfen und Inhalte über ihre Pinnwand teilen. Das alles möglichst einfach und schnell. Der Like-Button bietet diese Möglichkeiten über nur einen Klick. Die Einfachheit erhöht die Attraktivität. Ein personalisierteres Profil im Social Web ist nur einen Klick entfernt: Vor allem für Non-Profit-Organisationen ein interessanter Ansatz, weil Nutzer sich insbesondere in Themenfeldern von NGOs mit Inhalten identifizieren und darüber ihr Profil (mit nur einem Klick!) schärfen. PETA zum Beispiel erlaubt über die Like-Funktion Inhalte zu teilen. Klicken Nutzer auf den Like-Button, verbreiten sie nicht nur den Inhalt – sondern schärfen ihr persönliches Profil im Web.

Wirtschaftsunternehmen fällt es schwerer, ihre Zielgruppen über die persönliche Identifikation mit dem Unternehmen oder den Produkten zu erreichen: Andere Gründe führen sie auf Facebook. Der Like-Button eröffnet Unternehmen oder Institutionen die Chance, Inhalte auf einen anderen Kanal zu bringen. Darüber generieren sie Traffic, weil sie neue Gruppen erreichen. Es eröffnen sich neue Diskussionen. Indem sich eine Nachricht durch das Netzwerk bewegt, werfen sich eventuell Themen auf, die man bisher (im Monitoring) gar nicht beachtete. Eine Facebook eigene Dynamik entsteht. Im Idealfall gewinnt ein Unternehmen dadurch an Reputation. Ein Reputationsgewinn ist aber kaum einzig auf einen Like-Button zurückzuführen. Er kann aber das fehlende Puzzlestück sein, um die relevanten Gruppen zu erreichen und zu vernetzen. Die Basis dafür entwerfen die Nutzer der Netzwerke selbst. Über Empfehlungeng generieren sie einen Mehrwert für ihr soziales Netz.

So ähnlich und doch so verschieden

Aber können Unternehmen nicht über Twitter ebenso Inhalte verbreiten und das Social Web nutzen? Funktionieren digg.com oder del.ico.us nach dem gleichen Prinzip?

Sicher ließe sich aus Kommunikatoren-Perspektive so argumentieren, weil Menschen Inhalte weiterverbreiten. Doch ist das Verhalten der Konsumenten der Informationen anders. Sie verfolgen Twitter, um über ein Thema informiert zu bleiben. Sie verfolgen den Stream vom WWF, um sich über Naturschutz zu informieren. Sie verfolgen Impulsgebern in Fachbranchen, damit sie auf Entwicklungen reagieren können und informiert bleiben. Dabei bewegen sie sich meist in einem geschlossenem Themenfeld. Sie suchen nach Inhalten und Information, die sie verlangen. Bleiben aber meist in ihrem Mikrokosmos gefangen – weil sie primär selektieren und gezielt nach persönlich relevanten Inhalten suchen. Aber Twitter vernetzt nicht nur Marken, sondern auch Menschen auf persönlicher Ebene. Deswegen ist der Kanal für die Informationsverbreitung sehr relevant, weil Menschen untereinander Informationen teilen. Genau daran knüpft Facebook mit der Like-Funktion an.

Als soziales Netzwerk verbindet Facebook primär Menschen miteinander. Das Prinzip gilt zwar überall im Social Web, wird aber in seiner Konsequenz nur von Facebook umgesetzt. Menschen stehen im Mittelpunkt des Dienstes – Inhalte sind (noch) sekundär. Mit diesem Ansatz verbindet Facebook über 400 Millionen Menschen weltweit. Facebook hat ein Netzwerk aufgebaut, eine breite Basis von Personen geschaffen, das es über die Like-Funktion mit Inhalten verknüpft. Es erschließt sich ein neuer Zugang zu Inhalten, weil die Nutzer nicht über die inhaltliche Suche zu meinem Thema gelangen, sondern ausschließlich über Empfehlungen persönlicher Kontakte. Menschen interessieren sich für Menschen. Auf diese scheinbar lapidare Aussage lässt sich die Besonderheit von Facebook reduzieren.

Die Basis für den Erfolg ist simpel – den Grundstein hat der Dienst in der Vergangenheit gelegt: Bevor Facebook den Schritt zum Open Graph ging, hat es die Nutzer des Webs auf einer Plattform versammelt. Sie haben menschliche Beziehungen geknüpft. Indem Facebook die Inhalte im Web über die Like-Funktion nun mit Menschen verbindet, fließen die Inhalte in das Beziehungsgefüge ein und neue Möglichkeiten der Verbreitung eröffnen sich. Einfach: Über Freunde erfahre ich persönlich relevante Inhalten, die sonst im Verborgenem lägen.

Wenige Menschen – Hoher Multiplikator

Vereinzelte Nutzer schlüpfen in die Rolle des digital curators. Wie Kuratoren in Museen entscheiden sie über die Relevanz: nicht von Kunst, sondern von Informationen und Inhalten. Menschen und persönliche Kontakte steuern, welche Inhalte uns erreichen. Ich suche nicht mehr nach der Information, sondern die Information findet mich. Kommunikatoren müssen dafür die richtigen Personen erreichen. Malcolm Gladwell beschäftigt sich in seinem Buch The Tipping Point unter anderem mit der Entstehung von Trends und nennt die relevanten Multiplikatoren: Connectors, Mavens und Salesman. Er sagt „[Social epidemics] are driven by the efforts of a handful of exceptional people. […] It’s things like how sociable they are, or how energetic, or knowledgeable or influential among their peers“. „The Law of the Few“ nennt er das Phänomen – in der wenige Kommunikatoren über die erfolgreiche Verbreitung von Inhalten entscheiden. Für PR bedeutet das: Die Gesellschaft nimmt Kampagnen wahr, wenn Einzelne die Botschaft verbreiten. In der PR müssen Praktiker einzelne Multiplikatoren – den digital curator – erreichen, damit eine Botschaft individuell verbreitet werden kann.

Facebook und der Like-Button erschließen dafür den Weg. Nie war es so einfach, Inhalte individuell auf einer persönlichen Ebene weiterzuleiten. Die Ursache begründet sich mit der Theorie, dass zwei Menschen in verschiedenen Lebenswelten, über persönliche Verbindungen nur sechs Personen voneinander entfernt sind: den „Six degrees of seperation„. Der Ursprung sozialer Netzwerke gründet sich auf diese Theorie der Nähe von Menschen.

Mit dem Like-Button machen sich Kommunikatoren diesen Effekt zu eigen, indem sie über Likes Inhalte an die Menschen koppeln. Über Empfehlungen werden sie in das Netzwerk hineingetragen. Nicht nur Menschen sind jetzt sechs Schritte voneinander entfernt, sondern auch die Inhalte! Jeder ist erreichbar. Es wird einfacher über diesen Weg Multiplikatoren zu erreichen.

Was bedeutet das für Inhalte und Websiteoptimierung?

Empfehlungen setzen Vertrauen bei den Nutzern voraus. Ein Grundvertrauen besteht bereits zwischen Facebook-Nutzern, denn die Empfehlung über den Like-Button erfolgt in einem Kreis von Menschen, die sich kennen. Wie knüpfen Kommunikatoren dort an? Die einfachste Möglichkeit, das Vertrauen in Unternehmen oder Institutionen  zu festigen  lautet: Qualität liefern! Über die persönliche Empfehlung rückt die Qualität in den Mittelpunkt. Kein abstrakter Algorithmus von Google entscheidet über die Qualität von Inhalten, keine SEO-Optimierung. Stattdessen gewinnen Transparenz, Relevanz, Richtigkeit, Aktualität oder Vielfalt, Verständlichkeit und Attraktivität an Bedeutung. Die Nutzer schenken den Inhalten und Organisationen vertrauen, die diese Kriterien bei ihrer Kommunikation erfüllen. Nur über Qualität und Vertrauen können sich Botschaften oder Kampagnen auf persönlicher Ebene im Web verbreiten. Anstelle der Search Engine Optimization, die nicht zwingend mit Qualitätskriterien konform läuft, steht die Like-Optimierung, in der die Internetnutzer und nicht Google über die Relevanz von Inhalten entscheiden. Wächst die Bedeutung der Social Media Optimization (SMO) gegenüber der Search Engine Optimization (SEO)?

Spam und andere Gefahren

Droht die große Spamwelle auf Facebook? Das entscheidet jeder Nutzer für sich selbst, indem er darüber entscheidet, wen er als Kontakt auf Facebook hinzufügt. Auch hier entscheidet Vertrauen darüber, ob ich Kontakte aufnehme. So schützt sich jeder Nutzer selbst vor Spam. Menschen können Relevanz und Qualität bewerten, leiten relevante Inhalte weiter. Bots fallen auf technische Manipulationen herein. Fallen Menschen dann auf inhaltliche Manipulationen herein – wenn Inhalte durch Boulevardisierung eine künstliche Relevanz erhalten?

Wo der Mensch handelt, offenbart er Informationen und schnell verrät er (mir einem Like zu viel) mehr als er wollte. Besonders Datenschützer kritisieren Facebooks Umgang mit Daten.

Ein gigantischer Datenfluss aus relevanten Inhalten strömt durch Facebook. Wer über diese Daten im Netz verfügt, bündelt Macht. Facebook katalogisiert das Web über Likes, macht sich Inhalte zu eigen und gibt ihnen eine Relevanz, die Google bei den Suchergebnissen nicht darstellen kann.

Das sind die Themen, die bereits am Anfang aufgeworfen worden. Und tatsächlich, viele Diskussionen im Web lassen sich über die Verknüpfung von Inhalten und Menschen – den Like-Button – besser verstehen. Sie zeigen das Grundproblem sozialer Netzwerke – der small world – jeder erfährt alles. Kommunikatoren ziehen daraus eine neue Möglichkeit der Inhaltsverbreitung.

Die nächste Herausforderung im Bereich Social Media besteht darin, die Informationsflut zu bündeln und in Bahnen zu lenken. Noch ist die Facebook-Pinwand für den Durchschnittsnutzer ein einziges Durcheinander. Wenn es gelingt, den personalisierten Informationsstrom logisch zu strukturieren, wird Facebook dann zum nächsten Google?

„Die Nachricht findet mich“ – Das Prinzip gilt bereits. Aber ohne Struktur finden mich bald zu viele Nachrichten und am Ende muss ich meine Informationen wieder selbst suchen.

  1. na das kann mann laut sagen, sehr grosse wirkung

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