Die Angst vor dem Islam
„Woran denken Sie beim Stichwort Islam?“. In verschiedenen Studien wurde die deutsche Bevölkerung mit dieser Frage konfrontiert. Fanatismus und Gewaltbereitschaft schafften es unter den Top 3 bei der Auswertung mit 70 % und 60 %. Und wer hätte es gedacht, etwa 80 % der Bevölkerung assoziieren mit dem Islam die Unterdrückung der Frau. (Universität Münster 2010)
Forscher fanden interessanterweise auch heraus, dass je stärker der Kontakt mit Muslimen ist, desto positiver ist der Eindruck von ihnen.
Die Angst vor dem Islam begründet sich auf zahlreiche soziale, historische und politische Ursachen, aber auch auf Grund der medialen Berichterstattung. Wie die Studie ebenfalls herausfand ist es auch die Unwissenheit. In diesem Zusammenhang bin ich in letzter Zeit auf verschiedene Imagekampagnen über den Islam gestoßen, die mit kreativen Methoden dagegen halten wollen.
„I love my prophet“

Es handelt sich hierbei einmal um zwei junge muslimische Modedesigner, die an den Vorurteilen gegenüber dem Islam etwas ändern wollen. Das Ehepaar Melih und Yeliz Kesmen aus Witten an der Ruhr will Mode mit religiösen Botschaften kreieren und gleichzeitig diese Nische nutzen, um dem Islam ein besseres Image zu verleihen.
Angefangen hat alles als Melih Kesmen in einer Londoner Werbeagentur arbeitete. Der gläubige Muslim trug ein einfaches T-Shirt mit dem Aufdruck „I love my prophet“. Die Botschaft war zwar klein, aber die Resonanz groß. Überall wurde er darauf angesprochen und kam mit Leuten schneller ins Gespräch. Sie wollten wissen, wo man so etwas kaufen könne.
Als dann 2005 die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“ die Mohammed-Karikaturen veröffentlichte, herrschte überall auf der Welt Aufruhr, der oft gewaltig endete. So hat sich Kesmen entschlossen endlich ein Zeichen zu setzen und weil er es auch satt hatte, dass der Islam mit Hass und Gewalt verbunden wird.
Dazu sagt er in einem Interview:
„Der permanente Druck auf die Muslime, die kontinuierlich betriebene Antipropaganda gegen den Islam und deren gesellschaftliche Auswirkung auf hiesige muslimische Jugendliche, haben mich dazu bewegt etwas für die Identität dieser Gruppe von Menschen zu machen. Ich spürte in mir den Drang, durch moderne, zeitgenössische und künstlerische Art etwas zu tun.
Styleislam: Urbane Kleidung im Hip-Hop Stil

Daraufhin hat der 35-Jährige Grafikdesignstudent 2008 beschlossen eine Agentur zu gründen, die er „Styleislam“ nannte. Er hat die Marktlücke genutzt und ein ganzes Mode-Label mit inzwischen sieben Mitarbeitern aufgebaut. Sein Gewinn hat sich seit der Gründung verzehnfacht.
Mittlerweile haben Kesmen und seine Frau über 30 Motive entworfen, die auf T-Shirts, Pullovern, Armbändern, Taschen und sogar auf Babystramplern bedruckt werden können. Auf der Webpräsenz findet sich eine große Auswahl.
Die Modestücke im Hip-Hop Stil tragen verschiedenste islamische Botschaften: „Terrorism Has No Religion“ oder „Make Çay Not War“ (Macht Tee, keinen Krieg). Daneben findet man auch Botschaften für Muslime: „Du’a – The Weapon Of The Believer“ (Bittgebete – die Waffen eines Gläubigen), „Hijab – My Right, My Choice, My Life“ (Das Kopftuch – mein Recht, meine Entscheidung, mein Leben) und vieles mehr.
Diese Art von Mode findet nicht nur bei Muslimen großen Absatz, sondern weltweit auch bei konservativen Christen und Mormonen. Ein Viertel der Kunden sei nicht muslimischen Glaubens.
Schmähbriefe und Kritik
Die Idee stößt aber auch auf Kritik. Ein T-Shirt mit der Aufschrift „Jesus Was A Muslim“ musste die Firma nach Protesten aus Bayern aus der Kollektion nehmen.
Dazu kommen die Schmähbriefe aus rechtsradikalen Kreisen. Aber auch wütende Muslime schreiben Kesmen Hass-Mails. Darin beschuldigen sie ihn mit der Religion schamlos Profit zu schlagen.
Die Meinungen gehen auseinander. Kesmen sieht sich allerdings als sozialer Unternehmer, der das Zusammenleben in der Gesellschaft fördern möchte und damit auch sein Lebensunterhalt verdiene.
Muslime für Frieden, Freiheit und Loyalität
Eine andere Imagekampagne stammt von der islamischen Reformgemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat. Die Plakataktion heißt „Muslime für Frieden“ und startete im Juni 2011 in Hamburg. Mittlerweile hat sich diese Aktion deutschlandweit ausgeweitet.
Dabei wurden breitflächige Plakate aufgehängt und muslimische Botschaften auf Infoscreens an den Bahnhöfen und in den U-Bahnstationen gezeigt.
Auf den Plakaten stehen Zitate aus dem Koran und Aussprüche des Propheten Muhammad. Sie sollen aufzeigen, wie der Islam zu gesellschaftlichen Fragen steht und nach eigenen Angaben „die wahre Lehre des Islams“ ist.
Im Gegensatz zu „Styleislam“ wird die Plakataktion von den Spenden der 30.000 Gemeindemitglieder in Deutschland finanziert. Ausgeführt wird diese meist von Jugendlichen der Gemeinde, die an den Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen präsent sind und zusätzlich mit Flyern und Infoständen den Dialog suchen.
Plakataktion in Frankfurt
Als ich in diesen Tagen auf die U-Bahn in Frankfurt wartete, überraschte es mich positiv nach dem aktuellen Wetter auf dem Infoscreen plötzlich ein Türkis farbenes Plakat zu sehen. Auf diesem stand schlicht und mit großer Aufschrift: „Wer eine Tochter gut aufzieht und ihr eine gute Bildung und Erziehung angedeihen lässt, erwirbt dadurch das Paradies“.
Darunter steht ein Verweis zur Webseite www.muslimefuerfrieden.de. Hier findet man viele Informationen über die Grundlagen des Islams, wie der Islam zu Terrorismus stehe und was er von Menschen- und Frauenrechten hält.
Kaum bin ich in die U-Bahn eingestiegen spricht mich eine Frau auf dieses Plakat an. Sie hatte bislang nur die Berichterstattung über unterdrückte islamische Frauen gesehen, das Zitat sei ihr ganz neu. Eine lebhafte Diskussion und Austausch ist in der folgenden Zugfahrt entstanden.
„Wir wollen damit eine Diskussion über den Islam auslösen“
Was motiviert die Gemeindemitglieder diese Aktion durchzuführen?
Ihrer Meinung nach, wollen sie diese ungewöhnliche Aktion nutzen, um Ängste gegenüber dem Islam bei den nicht-muslimischen Mitbürgern abzubauen und Freundschaften aufzubauen. Sie treten an die Öffentlichkeit und scheuen sich nicht als Muslime zu bekennen.
Fazal Ahmad, Pressesprecher der Hamburger Ahmadiyya Gemeinde kommentierte die Aktion im Hamburger Abendblatt folgend:
„Wir wollen damit eine Diskussion über den Islam auslösen, […] „Wir als liberale und gut integrierte Muslime fühlen uns immer so wehrlos, wenn der Islam kritisiert und verallgemeinert wird“, sagt Ahmad. „Die Plakataktion nun sei eine gute Möglichkeit, möglichst viele Menschen zu erreichen.“
Medienresonanz
Neben der Bild und taz hat auch RTL von der Aktion berichtet (Video). Dabei befragten sie Passanten, wie die Aktion bei ihnen ankäme:
„Es ist ein guter Ansatz damit an die Öffentlichkeit zu gehen, weil so einige Vorbehalte von verschiedenen Gruppen untereinander und gegeneinander herrschen.“
„Es ist gut, wenn man viel mehr erfährt was andere Leute bewegt.“
Natürlich gab es auch Passanten, die nichts von der Aktion wissen wollten, allerdings schreckt dies die Organisatoren nicht ab. Denn die Seitenaufrufe der Webseite belegten den Erfolg. Außerdem seien sie optimistisch und verteilen weiterhin deutschlandweit Flyer mit muslimischen Botschaften. Mittlerweile wurden sieben Plakataktionen laut Veranstalter durchgeführt, wobei 1,6 Millionen Flyer verteilt wurden.
Das sind Anfänge von PR-Aktionen für und über den Islam, wobei verschiedenste multimediale Kanäle zum Einsatz kamen.
Es wird sich in der Zukunft zeigen, auf welcher Weise die modernen Kommunikationswege und PR-Maßnahmen die Ziele der Organisatoren umsetzen lassen wird.
Das ist sehr interessant und gesellschaftlich relevant!
Mit Kreativität erreicht man die meisten Leute…oft auch die, die sonst wegschauen.