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“Ich glaube dass PRler auf einem sehr hohen Niveau jammern”

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Ein großer Teil der Führungskräfte in der deutschen PR-Branche ist  unzufrieden mit seinem Verdienst – das ergab eine aktuelle Umfrage in PRimetime, einer Initiative der dpa-Tochter news aktuell. So ein Ergebnis beschäftigt uns Studenten mit PR-Schwerpunkt natürlich. Deshalb haben wir direkt mal nachgefragt, was eine junge Geschäftsführerin dazu sagt. Im Interview: Birte Frey, Gründerin von quäntchen + glück.

Birte, wie weit bist du als Gründerin und Geschäftsführerin einer Agentur für Online-Kommunikation betroffen?

Wer sich selbstständig macht, muss damit rechnen in den ersten Jahren weit weniger Geld zu verdienen als Kollegen mit Festanstellung in größeren Unternehmen. Vielleicht ein Grund, warum meine Perspektive da ein wenig anders ist, als die der befragten Kollegen. Wir haben quäntchen + glück gegründet, weil wir Unternehmen zu zeitgemäßer Online-Kommunikation verhelfen wollen: Facebookseiten auf denen gleichberechtigte Dialoge zwischen Unternehmen und Kunden geführt werden, Blogs die kein Marketing-Gewäsch, sondern Geschichten aus dem Alltag der Mitarbeiter bieten und Unternehmen, die sich voll ehrlicher Begeisterung den Möglichkeiten von Online-Kommunikation verschreiben. Wir haben die Agentur noch während unseres Studiums gegründet, um mit doppeltem Boden einige Monate zu testen, ob wir mit diesen Idealen unseren Lebensunterhalt verdienen können. Das können wir. Trotzdem muss ich manchmal schlucken, wenn ich auf meinem Konto sehe, dass da jeden Monat ein paar Hundert Euro allein für Versicherungen abgehen.

Das wichtigste Ergebnis der Umfrage: Insgesamt 33 Prozent sind teilweise oder sogar sehr unzufrieden – die Befragten nennen unterschiedliche Gründe. Wie beurteilst du diese?

Als Grund für ihre Unzufriedenheit haben 55 Prozent der Umfrageteilnehmer angegeben, dass ihr Gehalt bei ihrer Erfahrung und Ausbildung nicht angemessen ist. Ich finde das schwer zu beurteilen. Was ist angemessen? Rechnet man das pro Ausbildungsjahr? Wie misst man den Wert von Erfahrung? Insgesamt glaube ich aber, dass PRler auf einem sehr hohen Niveau jammern. Eine Kindergärtnerin absolviert in Darmstadt eine fünfjährige Ausbildung und verdient wenn sie fertig ist als Anfängerin tariflich festgelegte 1.399, 55 Euro (tövd E6 in Stufe 1 ) Nach ein paar Jahren kommt sie vielleicht auf 1.700 Euro – auch wenn sie einen Kindergarten leitet. Wie viele Führungskräfte in der PR-Branche müssen mit so wenig Geld auskommen?

Mehr als 50 Prozent der Führungskräfte würden den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen wechseln. Welche der angegebenen Kriterien kannst du nachvollziehen?

Interessante Themengebiete und Wertschätzung der eigenen Leistung sind für mich Kriterien, die meine Arbeit liebenswert machen. Diese Punkte halte ich auch für viel wichtiger als eine Menge Geld zu verdienen. Und den Teilnehmern der Umfrage scheinen diese Punkte ja auch nicht gleichgültig zu sein. Den Wunsch nach einem interessanteren Themenfeld im Job haben immerhin 46 Prozent, die höhere Wertschätzung der geleisteten Arbeit 41 Prozent der Teilnehmer als Grund angegeben, warum sie ihren Job wechseln würden. Gründe, die auf der Hand liegen: Wer das Gefühl hat, seine Arbeit wird nicht geschätzt, der wird seine Aufgaben nie mit Leidenschaft erfüllen und hat natürlich auch keinen Spaß an Überstunden, die eine Position mit Personal- und Projektverantwortung oft mit sich bringt. Wer in der Kommunikationsbranche arbeitet, verbringt mehr Zeit am Arbeitsplatz, als mit seinem Partner oder Freunden – wer sich da nicht wohl fühlt, hat wahrlich kein schönes Leben.  

Haben dich die Umfrageergebnisse überrascht?

Ein wenig schon. Im September ist die vierte Auflage der Berufsfeldstudie „Profession Pressesprecher“ des Bundesverband deutscher Pressesprecher e.V. erschienen. Kernaussage dort: „Der durchschnittliche deutsche Pressesprecher 2012 ist 42 Jahre alt, sehr gut ausgebildet und sehr zufrieden im Job. Er oder sie hat ein Jahreseinkommen von 64.000 Euro brutto.“ Welche der Studien hat also recht? Merkwürdig finde ich auch, dass das Gehaltsgefälle zwischen Männern und Frauen in der Umfrage von PRimetime anscheinend überhaupt nicht thematisiert wird. Laut Profession Pressesprecher verdienen Frauen nämlich 20.000 Euro weniger im Jahr als ihre Kollegen. In meinen Augen ein viel wichtigeres Thema!

Welche Perspektiven oder Konsequenzen ergeben sich deiner Meinung nach jetzt für angehende Führungskräfte in der PR-Branche?

Ein großes Problem scheinen unbezahlte Überstunden und geringe Wertschätzung der Arbeit zu sein. Da sehe ich einen Ansatzpunkt. Dass unzählige Überstunden – trotz Pizza-Flat – auf Dauer auslaugen und “Kannst-du-schnell-mal-Aufgaben” mit kurzfristigen Deadlines zu Schnapp-Atmung führen, ist nichts Neues. Schön, dass dieses Problem nun immer mehr Führungskräften unserer Branche bewusst wird. Das sind ja genau diejenigen, die ihre Mitarbeiter und sich selbst aus dem als Karriereleiter getarnten Hamsterrad heraus holen können. Auf geht’s, lasst uns neue Konzepte ausprobieren, die Mitarbeiter und Chefs glücklicher machen. Bei quäntchen + glück testen wir gerade die Urlaubs-Flat: Jeder Mitarbeiter – und Chef – kann so viel Urlaub nehmen wie er will. Einzige Bedingung: Die Zeiten müssen mit den Kollegen abgestimmt werden, damit keine Kundenprojekte darunter leiden.  

Ein spannendes Konzept –  vielen Dank für deine Offenheit!

  1. […] werden, damit keine Kundenprojekte darunter leiden”, so Mitgründerin Birte Frey im Interview mit PR-Fundsachen. Die Idee stammt von einem Bericht im Fachmagazin “Brand eins”. Dieser beschreibt den […]

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