Nürnberg lässt gravierende Beleidigungen in seiner Timeline stehen, und Gladbach möchte sogar Fans rausschmeißen – die Bundesliga-Vereine und Facebook sind noch nicht die besten Freunde. Was häufig fehlt, sind ein strategischer Ansatz und Antworten auf Fragen der Fans.
„Letzter Platz für Bundesliga im Social Web“, titelte das Medienhandbuch Sport vor kurzem passenderweise, aber etwas zu reißerisch. Was sich im ersten Moment dramatisch anhört, war letztlich ein quantitativer Vergleich der Topligen Europas – und da landet die Fußball-Bundesliga laut einer Studie der „Triumph Media Group“ auf Platz fünf hinter England, Spanien, Italien und Frankreich. Die deutschen Vereine haben demnach rund 1,3 Millionen Facebook-Fans, England und Spanien hingegen jeweils mehr als das Zehnfache. Wie sich dies auf die offiziellen Vereins-Accounts verteilt, ist am Ende dieses Artikels in einer Tabelle gelistet.
Dieser Vergleich sagt jedoch nichts über die Qualität der Kommunikation aus – und an genau der hapert es an verschiedenen Stellen. Wie kommunizieren die Vereine und welchen Ton schlagen sie dabei an? Gehen sie auf Fanfragen ein? Löschen sie Spam und Beleidigungen? Dies sind Kriterien, an denen sich funktionierendes Community-Management messen lässt.
16 Vereine haben ein eigenes Profil. Der SC Freiburg gehört aktuell noch nicht dazu, plant dies aber für Anfang des Jahres ein, „natürlich im Rahmen eines kleinen Vereins, der von einer sehr schlanken Verwaltung mit überschaubaren Ausgaben geprägt ist“, sagt Kommunikationsleiter Rudi Raschke. Schalke 04 hingegen verzichtet bewusst auf einen eigenen Auftritt.
Irgendwas mit Social Media
Um es vorwegzunehmen: Wirklich überragend ist keine Vereinspage, viele Angebote ähneln sich stark. Typisch sind ein durchweg recht hoher Output, angeteaserte Webseitentexte (mal gut, mal weniger), Liveticker während der Spiele und Bilder vom Training und Trainingslager. Genauso typisch ist auch, dass auf Fanfragen (beispielsweise nach Autogrammkarten oder zum Kauf von Karten) in der Regel nicht eingegangen wird. Eine Ausnahme bildet der 1. FC Nürnberg, der es dafür aber nicht schafft, teils gravierende Beleidigungen nach über einer Woche zu löschen:
In all diesen Fällen dürfte das fehlende Monitoring an mangelnden internen Ressourcen liegen. Wie man souverän auf solche Probleme reagiert, ist bei Thomas Hutter nachzulesen.
Auffällig vor allem ist, dass es bei Kaiserslautern, Hamburg, Mainz und Leverkusen nicht möglich ist, als Fan eigene Beiträge zu verfassen. Gerade bei letzterem mutet dies doch unfreiwillig komisch an, da der Verein laut Kommunikationschef Meinolf Spring „die Interaktion mit unseren Fans weiter verstärken“ will. Da es bei Facebook allerdings Grundeinstellung ist, dass Fans keine eigenen Beiträge schreiben können, wäre es möglich, dass darüber nicht nachgedacht wurde. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Vereine bewusst vorsichtig agieren, um zu verhindern, dass sie mit Kommentaren aus Kapazitätsgründen nicht zu Recht kommen.
Solch ein Reflex ist typisch. Eine internationale Studie hat gezeigt, dass es den 50 größten Weltmarken schwer fällt, von Monolog auf Dialog zu schalten. Marcel Bernet rät Unternehmen, die Community-Management aus verschiedenen Gründen nicht leisten können oder wollen, im Zweifel lieber auf einen Facebook-Auftritt zu verzichten:
Auf die Gefahr hin, dass ich als romantischer Social-Media-Guru tituliert werde: Wer auf dieser Plattform nur Promotion machen will, lässt es besser bleiben. Ja, die Fans lieben Sonderangebote – aber bitte nicht gleich verschwinden, wenn es mal ruppig zu und her geht. Einen Facebook-Auftritt gestalten heisst, eine neue Gesprächsform zu erlernen. Man muss – wie bei jedem Social Media Engagement – bereit sein,
– Fragen zu stellen
– Fragen schnell zu beantworten
– sich Kritiken zu stellen
– Spam von der Pinnwand wegzulöschenDas alles bedingt Ressourcen. Und die Möglichkeit, in Krisensituationen schnell zusätzliche Personen abzurufen fürs Monitoring, Antworten, Ausdehnen der Servicezeiten. Wer das Gespräch nicht aufnimmt, hat Facebook nicht richtig verstanden. Und ist damit auch nicht wirklich fit für mehr Kundennähe im Netz, ganz generell.
Bei vielen Vereinen verfestigt sich so der Eindruck, dass der Zwang, „schnell etwas mit Social Media machen zu müssen“ größer ist, als die Vernunft, dies strategisch zu durchdenken. Auch Bayern München, mit mittlerweile 600.000 Fans mit Abstand Primus in der Bundesliga-Rangliste, schafft es lediglich, die Webseiten-Texte einfließen zu lassen. Dies hat zur Folge, dass mal deutsche, mal englische und mal zweisprachige Texte zu lesen sind. Darüber hinausgehender Mehrwert? Fehlanzeige. Wie es anders geht, zeigt etwa Real Madrid, dersportmanager hat es bereits letzten Sommer beschrieben:
„Auffallend ist auch, dass Real Madrid nicht versucht den Fans über die Pinnwand immer wieder aufs Neue Trikots oder Tickets anzudrehen. Nein, vielmehr werden den Fans echte Mehrwerte präsentiert. In der „Off-Season“ wird die Weltmeisterschaft genutzt und den Fans Exklusiv-Interviews mit Reals Spielern bei der WM präsentiert.“
Optimierungsbedarf hat auch der Auftritt von Eintracht Frankfurt, der auf den ersten Blick als solcher gar nicht klar erkenntlich ist. Zwar sprechen die hohe Follower-Zahl von knapp 100.000 (welche eine private Schalke-Fanpage auch hat) und eine hinterlegte kostenlose Servicenummer dafür, doch alleine ein prominent platzierter Satz in der Bio hinterlässt Zweifel:
„become a fan of Eintracht and the Club’s logo will display on your Profile!!!!“
Verstärkt wurden diese durch den Pressespiegel, den die Eintracht regelmäßig veröffentlicht. Ein unter den Bundesliga-Vereinen seltener Mehrwert, den ansonsten nur der 1. FC Nürnberg bietet. Jan Schneider, Leiter der „Neuen Medien“, räumte letztlich die Zweifel auf Anfrage aus.
Wie Gewinnspiele über Facebook nicht funktionieren, zeigen ebenfalls die Frankfurter, die erst kurz vor Ablauf der Teilnahmefrist erklärten, dass die Lösungen nicht unterhalb der Frage gepostet werden sollen:
Die magische 100.000-Grenze
Für einige Vereine scheint die Anzahl der Fans der einzig relevante Indikator gelungener Arbeit zu sein. Auf den vorderen Rängen gab es gar ein lustiges Hauen und Stechen darum, wer nach den Münchner Bayern als erstes die 100.000-Marke erreicht: „Wir sind 90.000! Nun lasst uns zusammen 100.000 werden und das Bundesliga-Spitzenduo Bayern und Stuttgart bei Facebook angreifen. Ladet dazu einfach Eure Freunde hier zur Fanpage über den „Freunden vorschlagen“-Button ein. Come on, FC!“, hieß es beim 1. FC Köln, „Wir sind kurz davor die 100.000er Marke zu knacken! Gebt nochmal VOLLGAS und holt alle Borussen mit ins Boot!“, postete Borussia Dortmund, um zwei Wochen später Vollzug zu melden: „Champions League! 120.000 Fans auf facebook bedeuten Platz 2 hinter Bayern und jetzt vor dem VfB Stuttgart!“
Etwas bescheidener und weniger euphorisch, dafür als Gewinnspiel ging es beim VfL Wolfsburg zu: „Die 7500-Marke ist geknackt! Wie versprochen, werden wir heute im Laufe des Tages einen Gewinner bekanntgeben, der sich über ein handsigniertes Trikot seines VfL-Lieblingsspielers freuen kann.“
Warum Borussia Mönchengladbach seine Fans „rausschmeißen“ möchte, Schalke 04 keine eigene Fanpage hat, aber Hauptsponsor Gazprom dies übernimmt, eine unabhängige S04-Fanpage alle anderen um Längen schlägt und welche Kuriositäten die Bundesligisten sonst noch zu bieten haben, gibt es morgen an gleicher Stelle zu lesen.
Quantitativer Vergleich der Bundesligisten auf Facebook:
Verein | FB-Freunde Stand 8.9.10* | FB-Freunde Stand 17.12.10 | FB-Freunde Stand 20.1.11 | Wachstum Dez > Jan in Prozent |
Bayern München | 175.840 | 421.668 | 599.065 | 42,01 |
Borussia Dortmund | 3.498 | 93.467 | 146.374 | 56,61 |
Werder Bremen** | – | 98.105 | 127.402 | 29,86 |
VfB Stuttgart | 77.830 | 111.635 | 126.868 | 13,65 |
1. FC Köln | 57.016 | 92.791 | 109.444 | 17,95 |
Hamburger SV | 52.564 | 86.018 | 91.118 | 5,93 |
Eintracht Frankfurt** | – | 80.440 | 89.234 | 10,93 |
1. FC Nürnberg | 19.916 | 36.100 | 38,554 | 6,8 |
1. FC Kaiserslautern | 21.193 | 28.291 | 35.616 | 25,89 |
Hannover 96 | 15.017 | 27.030 | 30.013 | 11,04 |
Borussia Mönchengladbach | 14.474 | 23.591 | 25.830 | 9,49 |
FC St. Pauli | 8.126 | 12.116 | 12.692 | 4,75 |
VfL Wolfsburg | 3.540 | 6.553 | 7.855 | 19,87 |
Mainz 05** | – | 6.180 | 6.715 | 8,66 |
Bayer Leverkusen** | – | 5,102 | 5,887 | 15,39 |
TSG Hoffenheim** | – | 2.987 | 3.601 | 20.56 |
Außer Konkurrenz***: | ||||
Schalke-Fanpage**** | – | 67.273 | 99.345 | 47,68 |
Schalke-Fanpage Gazprom***** | – | 6.248 | 8.106 | 29,74 |
* Quelle: Horizont (nur als Premium-User einsehbar; Artikel veröffentlicht in der Ausgabe 39/2010)
** noch keine Fanpage zu diesem Zeitpunkt
*** keine offiziellen Vereins-Accounts
**** private Fanpage
***** Fanpage des Sponsors Gazprom
Sehr schöner Beitrag! Vielen Dank dafür.
Ich betreibe mit einigen ehrenamtlichen Helfern (in diesem Fall ist das für den Verein kostenlos) die Facebook-Seite und den Twitter-Account des SSV Reutlingen (http://on.fb.me/bL4l2o und http://twitter.com/#!/ssvreutlingen05). Natürlich posten wir dort auch Artikel zum SSV aus dem Netz um die Fans zu informieren was beim SSV passiert. Aber nur einen Monolog zu führen hat nichts mit Social-Media zu tun! Wie oben bereits angemerkt: Dialog heißt das Zauberwort um im Bereich Social-Media erfolgreich zu sein!
Diesen Leitspruch nehmen wir uns sehr zu Herzen. Nur so können wir Fans binden und unsere Facebook-Community vergrößern. Nur wer interagiert wird auf Facebook erfolgreich sein. Daher bleibt beim SSV Reutlingen keine Frage eines Fans auf Facebook oder Twitter unbeantwortet. Und das kommt verdammt gut an!
Der Erfolg gibt uns Recht: Obwohl wir zwischenzeitlich nur noch fünftklassig spielen steigt die Zahl der Facebook-Fans und Twitter-Follower kontinuierlich an und trotz Abstieg und Insolvenz können wir immer weiter neuen Fans an den SSV binden. Die Auswirkungen sind deutlich zu spüren: Die Zugriffe auf unserer Website über Facebook und Twitter steigen stetig an.
Ich bin mir sicher, dass wir mit gezielten Aktionen in Zukunft auch die Zahl der Stadionbesucher und den Abverkauf von Merchandising-Artikeln steigern können. Einige kleinere Aktionen haben bereits bewiesen, dass so etwas hervorragend funktioniert.
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