Nach den Schiedsrichtern nun die Fans: Gladbach möchte sie direkt rausschmeißen, kommuniziert aber trotzdem besser als die Bundesliga-Konkurrenz. Schalke hingegen verschickt Newsletter und erreicht gegenüber einer privaten Facebook-Fanpage nur einen Bruchteil der Zielgruppe.
Die vermutlich spannendste Fanpage der Fußball-Bundesliga gehört Borussia Mönchengladbach. Unter „Information“ beschreibt die Internetredaktion die Ziele des Facebook-Accounts:
„Der VfL möchte euch hier neueste Informationen, Randgeschichten, Fotogalerien und Themen rund um den BORUSSIA-PARK näher bringen, die nicht immer einen Platz auf der Homepage borussia.de finden.“
Genau der richtige Ansatz, den viele Konkurrenten der Gladbacher vermissen lassen: Mehrwert bieten. Dabei steht Interaktion an erster Stelle, die Fans wählen beispielsweise Interviewpartner aus und dürfen gleich die Fragen mitstellen. Spätestens wenn sich der verletzte Verteidiger Roel Brouwers per Videobotschaft für Genesungswünsche auf Facebook bedankt, wird deutlich, dass Gladbach in seine Online-Kommunikation deutlich mehr investiert, als der Durchschnitt der Fußball-Bundesliga.
Generell ist die Kommunikation sehr persönlich und authentisch, die Mitarbeiter der Internetredaktion stellen sich sogar vor:
Leider werden die Namen nur in diesem Beitrag erwähnt, für User, die ihn nicht gelesen haben, bleibt also unklar, wer hinter den Kürzeln steht.
Problematisch wird die persönliche Kommunikation, wenn sie auf einer zu emotionalen Ebene geführt wird. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass Diskussionen außer Kontrolle geraten, gerade wenn sich der Verein aufgrund akuter Abstiegsgefahr in einer Krisensituation befindet, so wie bei der Borussia aktuell. Im Extremfall endet dies mit der Forderung: Fans raus!
In diesem Moment scheint genau das oben beschriebene geschehen zu sein: Rütten hat – womöglich von einer anderen Diskussion unter der Frage emotional noch aufgeladen – die Kontrolle verloren. Allein dies sollte bei drei Verantwortlichen nicht passieren dürfen. Wirklich problematisch aber ist, dass der Beitrag (vom 20. Dezember) noch heute online ist, die Reaktion intern also vermutlich nicht abschließend reflektiert wurde.
In Gelsenkirchen werden Newsletter verschickt
Etwas anders sieht die Situation bei Schalke 04 aus. Die Gelsenkirchener verzichten bewusst auf einen Auftritt bei Facebook. In einem Interview mit dem Medienhandbuch Sport erklärt PR-Chef Rolf Dittrich:
“Wieso kann sich ein Nutzer dann nicht auf der Homepage des FC Schalke 04 anmelden und den Newsletter abonnieren? Dort erhält er ebenso viele Informationen, und das sogar exklusiver. Bislang haben sich dort 30.000 Menschen angemeldet.”
Thomas Knüwer von Indiskretion Ehrensache entgegnet dem:
„Ja, wieso kann er das nicht? Vielleicht weil er keine Lust auf E-Mails hat? Weil die eine Pest sind? Weil er nicht steuern kann, wann er Informationen bekommt? Und weil er vielleicht mit anderen über die Informationen reden möchte?“
Dittrich lässt dieses Argument nicht gelten und verweist auf Vereins-Foren, in denen „Interessierte Leute seit Jahren über das Tagesgeschehen in der Bundesliga diskutieren“. Schalke hat ein solches, den 1000-Freunde-Club, eine „kostenlose Fan-Community“. Diese erinnert stark an Facebook:
„So ist es möglich, seine individuelle Freundesliste anzulegen oder im Chat mit Gleichgesinnten über die Königsblauen oder andere Themen zu sprechen. Zudem können ein persönliches Gästebuch oder ein eigenes Forum eröffnet werden. Ein Zugang zum Knappen-Forum ist natürlich auch gegeben. Die Erstellung eines eigenen Profils ermöglicht eine umfangreiche Vorstellung des Nutzers […]. Es gibt sogar eine Fotogalerie, …“
Richtig interessant wird es im letzten Abschnitt, wenn es heißt:
„Um alle Funktionen nutzen zu können, bitte erst auf ‚Du möchtest dich registrieren‘ klicken. Spätestens am übernächsten Werktag wird ein Freischaltcode für die Teilnahme am Club per Post zugesandt.“
Private Fanpage schlägt Konkurrenz um Längen
Für den harten Kern der Schalke-Fans mag dies durchaus erstrebenswert sein, für den großen Rest bietet eine private, aber professionell betriebene Schalke-Fanpage mit über 100.000 Fans eine mehr als nur passable Alternative – fernab übrigens von jeglicher Kontrolle des Vereins.
Die zwei Gründer der Seite verlinken nicht nur Berichte der offiziellen Schalke-Webseite, sondern stoßen Diskussionen an und beteiligen sich daran, veröffentlichen eigene Themen und die Schalke-News und sind sich auch für ein wenig Selbstironie nicht zu schade. Auch das Monitoring funktioniert: Spam und Beleidigungen sucht man auf der Webseite vergebens.
Für Aufsehen sorgte die Seite mit einer Unterschriftenaktion für den Verbleib von Nationaltorwart Manuel Neuer, die „über 30.000 Fans zur Unterschrift bewegte“, wie Raphael Brinkert, einer der Gründer und angehender Geschäftsführer Beratung bei Jung von Matt/Fleet, sagt.
Rolf Dittrich und Schalke 04 könnten schon bald direkt von dem Engagement profitieren, Kooperationen sind zumindest von Seiten der Fanpage-Betreiber angedacht:
„Es ist unser Ziel, in wenigen Wochen aktiv auf den Verein zuzugehen. Ob wir die Seite dann vollständig an den Verein abtreten oder wie bisher weitermachen bleibt abzuwarten.“
Der Dritte im Bunde
Neben der privaten Seite gibt es auch eine von Gazprom, dem Schalker Hauptsponsor: Königsblauer Planet, die laut Robert Scheller von Gazprom ebenfalls unabhängig vom Verein läuft. Inhaltlich hält sie zwar mit Brinkerts Seite Schritt, hat als kommerzielles Angebot allerdings erwartungsgemäß deutlich weniger Fans (aktuell knapp 9.000). Scheller erklärt das wie folgt:
„Bei uns muss man betrachten, dass die ‚Ilkes‘ nur aus Interesse an der Dienstleistung kommen und im Gegensatz zu Vereinen oder Lifestylemarken keine ‚likes‘ dazukommen, nur weil man das Produkt gut findet.
Brinkert und Mitgründer Julien Peschardt bewerten die Seite positiv, sehen allerdings auch Nachteile:
„Wenn man beispielsweise bedenkt, mit welchem medialem Aufwand – von Links in Anzeigen und auf der offiziellen Schalke-Homepage sowie wöchentlichen Gewinnspielen – bislang erst 8.000 Fans gewonnen wurden, erscheint zumindest aktuell Aufwand und Ertrag in keinem guten Licht.“
Um die aktuellen Dopplungen der beiden Angebote zukünftig zu umgehen, ist zwischen den beiden Seiten eine Kooperation denkbar, wie beide Seiten unabhängig voneinander bestätigten.
Weitere Kuriositäten
– Die offiziellen Vereinsaccounts von Wolfsburg, Hoffenheim und St. Pauli haben jeweils weniger Fans als vergleichbare private Fanpages (Wolfsburg, Hoffenheim, St. Pauli). Zumindest bei Hoffenheim und St. Pauli dürfte es hauptsächlich daran liegen, dass die Fanpages über die Facebook-Suche nur schwer zu finden sind: Bei der Suche „TSG 1899 Hoffenheim“ wird das Profil „achtzehn99“ ebenso wenig angezeigt wie „fcstpauli.tv“ bei der Suche nach „FC St. Pauli“. Gazprom hat mit „Königsblauer Planet“ das gleiche Problem.
– Der VfL Wolfsburg hat für sein Maskottchen „Wölfi“ ein eigenes privates Profil angelegt. Problematisch daran ist, dass Facebook in seinen Nutzervereinbarungen unter 4.4 verbietet, private Seiten kommerziell zu nutzen. Welche Gründe noch dagegen sprechen, hat Jens Wiese von facebookmarketing.de zusammengefasst. Da der VfL auf keine Anfrage reagiert hat, sind nur Mutmaßungen möglich, welche Ziele die Wolfsburger mit „Wölfi“ verfolgen. Kommunikation scheint dabei aber zumindest nicht an erster Stelle zu sein, in der Timeline findet sich lediglich Spam von Freunden des Profils.
– Dass Mainz 05 Links und Videos häufig nicht anteasert, könnte Samy Allaguis Chancen auf den Titel „Tor des Jahres“ geschmälert haben, die 05er vergaßen nämlich, zu erwähnen, dass einer ihrer Spieler zur Wahl steht. Dass Michael Stahl von der TuS Koblenz am Ende gewann, wundert jedenfalls nicht: Die Koblenzer begleiteten die Wahl intensiv. Gerüchten zufolge hat aber auch die Qualität des 62-Meter-Tors seinen Anteil zur Entscheitung beigetragen.
+ Zum Abschluss beweist der Hamburger SV Humor: Da der HSV-Profi Heung-Min Son derzeit für Japan beim Asien-Cup spielt, posteten die Norddeutschen ein Tor von Son mit chinesischem Kommentar. Kurz darauf verlinkten sie ein weiteres Video mit dem Hinweis: „Für alle, die kein Chinesisch verstehen, hier die arabische Version.“
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Update (29.03.2011): Oliver Gliß vom VfL Wolfsburg hat meine Anfrage („Aus welchen Gründen wurde die Person Wölfi eingerichtet, weilchen Zweck erfüllt sie?“; „Inwiefern ist geplant, über die Person zu kommunizieren?“) beantwortet:
Meine Kolleginnen sind auf die Idee gekommen, da auch andere Vereine ihre Maskottchen wie bspw. „Ben“ EHC-Wolfsburg und „Dino Hermann“ vom HSV bei Facebook als Profil haben. Auf dem Wölfi-Profil sollten Aktivitäten rund über bzw. ein Tagebuch von Wölfi gepostet werden. Dies ist leider aus Ressourcen-Gründen nicht machbar gewesen.
Wir haben schon länger entschieden, uns von der eigenständigen Maskottchen-Profil zu trennen, da uns einfach Ressourcen fehlen und sich das Angebot nicht die gewünschte Nachfrage erzielte. Wir werden sicherlich weiterhin über Wölfi und seine Aktionen informieren, jedoch dann auf der offiziellen Facebook-Seite des VfL Wolfsburg und werden das Feedback unserer Fans beobachten und ggf., wenn die Nachfrage besteht, eine eigenständige „Wölfi“-Fanpage veröffentlichen.
Aber auch hier werden wir uns natürlich hinterfragen müssen, ob wir mit Wölfi nicht lieber bei „Schüler VZ“ aktiv werden.
Die späte Reaktion sei laut Gliß auf einen Providerwechsel zurückzuführen, welcher zu Problemen mit den E-Mail-Adressen geführt habe.
[…] raus! – Die Fußball-Bundesliga auf Facebook – Teil I und Teil II Nürnberg lässt gravierende Beleidigungen in seiner Timeline stehen, und Gladbach möchte sogar […]
Hallo zusammen,
gern beantworten wir eure Fragen. Jedoch ist bei uns keine Frage eurer Redaktion eingegangen. Sicherlich habt ihr eine E-Mail an eine falsche Adresse gesendet.
Wir freuen uns auf eure E-Mail!
Viele Grüße vom Team der Grün-Weißen aus Wolfsburg.
Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Meine Anfrage habe ich an die im Profil von „Wölfi aus Wolfsburg“ hinterlegte E-Mail-Adresse (woelfi@vfl-wolfsburg.de) gerichtet.
Daraufhin habe ich eine Abwesenheitsnotiz mit Verweis auf eine Kollegin erhalten. Diese hat auf meine Anfrage allerdings nicht reagiert.
Von woelfi@vfl-wolfsburg.de kam nach Ablauf der Abwesenheit (und einer erneuten Anfrage) ebenfalls keine Antwort.
Dies alles dürfte meines Erachtens eher nicht an einer falschen E-Mail-Adresse liegen 😉
Die Anfrage schicke ich sogleich noch einmal per Mail raus.
Beste Grüße
[…] Zu allem Überfluss verzichtete der Verein bis vor kurzem demonstrativ auf einen offiziellen Auftritt im größten sozialen Netzwerk. Noch im Oktober letzten Jahres erklärte der damalige Pressesprecher Rolf Dittrich, Nutzer sollten sich lieber den Newsletter abonnieren und dem Fan-Forum der Website („1000-Freunde-Club“) beitreten (siehe PR-Fundsachen „Fans Raus Teil II“). […]
[…] Windows Theory entgegenzuwirken. Also nicht so, wie es unter anderem beim 1. FC Nürnberg oder Borussia Mönchengladbach gehandhabt wurde, wie Jan-Kristian Jessen für die PR-Fundsachen der Hochschule Darmstadt […]