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Diagnose via Smartphone

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Diäten, Finanzen, Shopping und kleine Spielchen. Für alles gibt es Apps. Jetzt will eine neue App sogar herkömmliche Psychotherapien ersetzten können. Wie das funktionieren soll und warum wir sowas hinterfragen sollten, erkläre ich hier.

 

 

Was hat Mentale Gesundheit mit Technik zu tun?

Mentale Gesundheit ist etwas worum sich jeder Mensch sorgt und sorgen sollte. Sie kann von vielen Dingen beeinflusst werden und hat viel mit unserer Stimmungslage und unserem Verhalten zu tun. Aber wenn nun jemand Probleme mit seiner psychischen Gesundheit hat, fällt es denjenigen oft schwer den Schritt zu wagen und nach einem geeigneten Therapieplatz zu suchen, denn das kann oft ein zeitaufwendiger Prozess sein.

Die App, welche eine schnelle Lösung für dieses Problem verspricht, heißt „BetterHelp“ und ermöglicht euch, ohne aus dem Bett aufzustehen, eine Therapie zu starten. Man bezahlt Geld, macht einen kurzen Test um den passenden Therapeuten zu finden und es geht schon los. Klingt natürlich alles super schön und einfach, aber betrachtet man dieses Konzept genauer, kommen Zweifel auf.


Der Einfluss von Influencer-Marketing 

Ist man ein aktiver Nutzer von Youtube, stößt man schnell auf BetterHelp. Von vielen Inlfuencern wird diese App nämlich angepriesen und vermarktet. Denn immer mehr YouTuber wurden von BetterHelp gesponsert, um die App in ihren Videos zu vermarkten. Man merkt also sofort, dass diese neuartige App sich Influencer-Marketing zu Nutzen macht.
Anfangs wirkt sie cool und scheint eine einfache Lösung für ein kompliziertes Problem zu bieten. Insbesondere Jugendliche werden durch die Influencer angesprochen.


Wie genau funktioniert BetterHelp?

Nachdem man die App runtergeladen hat, oder auf die Internetseite  geht, muss man als erstes auswählen um welches Krankheitsbild es sich handelt. Dafür muss man entweder schätzen was man hat, oder bereits eine professionelle Diagnose bekommen haben, denn diese kann man nicht von dem dort gestellten Therapeuten bekommen. Wenn man beispielsweise Essstörung als Krankheit auswählt, muss man einige Fragen beantworten und danach bekommt man den passenden Therapeuten zugeteilt. Man kommuniziert anschließend entweder per Messenger, Video-Chat, Telefon oder Live-Chat. Mit den Therapeuten kann man entweder Termine vereinbaren oder einfach rund um die Uhr privat schreiben. Als ihre Mission bezeichnet die App bezahlbare Hilfe in schwierigen Lebenssituationen zu jeder Tageszeit zu bieten. Bezahlen muss man, je nach Zeitraum in dem man den Service nutzen will.


Zu einfach um wahr zu sein?

Also was steckt wirklich hinter der App? Moralisch gesehen ist es schon fraglich, Influencer als primäre Marketing Quelle zu nutzen. Außerdem ist das Konzept von BetterHelp wie eine Massenproduktion und da stellt sich die Frage, ob das der richtige Ansatz für eine Therapie ist.
Die Hauptargumente die überzeugen sollen setzen sich aus Bequemlichkeit und Geld sparen zusammen, und diese zwei Dinge sollten bei der Verbesserung der psychischen Gesundheit eigentlich nicht im Vordergrund stehen. Auch die Tatsache, dass BetterHelp auf Ihrer Seite deutlich sagen, dass sie nicht dafür garantieren können, dass Online-Therapie genau so gut funktioniert wie Face-To-Face-Kommunikation und auch nicht dafür, dass alle ihre Therapeuten eine Lizenz haben und richtige Ärzte sind. Schaut man sich die Rezensionen an, gehen die Meinungen hierbei drastisch auseinander. Das liegt oft vor allem an den Therapeuten, dem man über die App zugeteilt wird. Also reine Glückssache. Und auch auf Glück sollte man sich eigentlich bei diesem Thema nicht verlassen.

 

Was sagt eine Psychotherapeutin zu diesem technischen Fortschritt?

 

 

Um eine andere und professionelle Sicht zu diesem Thema zu bekommen, habe ich mich mit einer alten Kollegin getroffen. Frau Dr. Sybille Anels arbeitet in einer tagesklinischen Psychiatrie für Kinder und Jugendliche. In dem Jahr, dass ich dort verbracht habe, bekam ich schon oft den Einsatz von Medien für die Psychotherapie mit. Es gab tägliche Einheiten mit Hörspielen, Meditation mit Musik und Lichtern und noch einiges anderes, was sich von der normalen Therapie abhebt in der man nur zusammensitzt und redet. Aber auch in Einzelgesprächen nutzt Frau Dr. Anels gerade bei Kindern die Technik.

Beispielsweise erklärte sie mir, dass es viele Spiele gibt die Kinder auf Computern spielen können, um Verhaltensmuster oder Reaktionen zu testen. Laut Dr. Anels seien diese sehr hilfreich für den weiteren Verlauf der Psychotherapie.

 

Eine professionelle Meinung zu BetterHelp

Als ich ihr erklärte was BetterHelp ist und sie anschließend fragte, was sie davon halte, antwortete Sie: “Das klingt alles sehr gut, aber mein Standpunkt ist und wird auch immer sein, dass ein Roboter nicht den menschlichen Psychotherapeuten ersetzen kann. Technische Hilfsmittel dennoch sind sehr hilfreich. Vielleicht könnte man diese App als Einstieg nutzen. Aber um einen langfristigen Fortschritt zu sehen, würde ich immer die normale Therapie wählen, denn man weiß ja nie wer wirklich hinter dieser App steckt.“ Frau Dr. Anels erzählte mir außerdem, dass man nicht sofort einen Therapeuten als App suchen sollte. Es gibt nämlich viele Apps die lediglich Meditation für Schlafstörungen oder Angstzustände anbieten. Und das sei ein tolles Hilfsmittel, um eine richtige Therapie zu unterstützen.


Persönliches Fazit

Nach diesem Gespräch wird mir klar, dass eine Therapie nichts ist, an die man leichtsinnig und ohne viel Recherche herangehen sollte. Zu Anfang ist die App vielleicht nicht schlecht und hilft dabei den ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen. Für mich persönlich wäre ein Therapeut in einer App zwar faszinierend, jedoch überzeugt mich das nicht ganz, da vieles zu unklar und unseriös ist. Aber vielleicht ändert sich das in Zukunft.

Ich bin gespannt mit was der technische Fortschritt uns zum Thema Psychotherapie noch überraschen wird und hoffe ihr seid es auch!