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Weibliche Bloggerinnen gesucht!

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Durch Rafael wurde der Termin ja der Termin in Frankfurt ja bereits im Blog angekündigt. Ich war also beim Frankfurter Medienmittwoch gestern Abend anwesend und hatte das Vergnügen viele wichtige und Möchte-Gern-wichtige Menschen über eines unserer Klausurthemen von nächster Woche zu hören. Der Abend stand wie schon gesagt unter dem Motto „Weblogs –Revolution des Journalismus oder überschätztes Phänomen?“

Es waren wirklich viele Besucher dort, so viele, dass zuvor sogar eine Mail kursierte bei dem die Veranstaltung als ausgebucht angekündigt wurde. Der Andrang hat von vorne rein schon einmal gezeigt, dass das Thema „Weblogs“ von den Frankfurter Medienschaffenden für äußerst diskussionswürdig gehalten wird. (Ich wittere für den einen oder anderen von uns zukünftige Berufschancen) Bei all den Anzug und Krawattenträgern und einer eindeutigen Dominanz des männlichen Geschlechts fiel ich mit meiner zerlöcherten Jeans und Cowboystiefeln wohl etwas aus der Reihe. Nichts desto trotz gelang es mir einen Platz an einem heißbegehrten Stehtisch, trotz Nicht-Einhaltens der Kleiderordnung zu ergattern.

Tobias Kirchhofer, Managing Director von BlueMars, eröffnete den Abend mit allgemeinen Fakten zum Thema. Interessanterweise gibt es seiner Meinung nach in Deutschland bisher keine Blogosphäre. Deutschland verdient vielmehr den bescheidenden Titel „Bloggersdorf.“ Es gibt in Deutschland derzeit ca. 200 000 Blog, in Amerika liegt die Zahl im Vergleich bei ca. 11 Mio.

Julius Endert ( Leiter von Handelsblatt.de ) wählte einen historischen Vergleich als Einstieg seines Vortrags. So bezeichnete er „Martin Luther als ersten Blogger“ und stellt eine noch viel kritischere Frage in den Raum, die da lautetet: „Droht den klassischen Medien das gleiche Schicksal wie der katholischen Kirche?“ Luthers Thesenschlag an die Kirchentür könne man mit der Wahl einer ungewöhnlichen Veröffentlichungsart (er meint hier wohl Blogs ) vergleichen, die den Leser zur Interaktion anregen soll.

Meiner Meinung nach war dieser Vergleich mehr schlecht als recht, aber immerhin sorgte er für ein kurzes Gelächter im Saal. Skurrilität schafft eben doch Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit zählt. Für den BILDblog Redakteur Christoph Schultheis sind Weblogs die Medien für Interaktion. Das Internet gilt nach dieser Vorstellung als Marktplatz für Aufmerksamkeit. Laut dieser Theorie konkurrieren Weblogs auf dem Markt nach Aufmerksamkeit mit den traditionellen Medien. Durch einen wachsenden Bedarf an Special Interest Informationen, mit dem die Enstehung des Web 2.0 Phänomens einhergeht, hat sich der User der heutigen Zeit eine neue Medienkompetenz für das Internet angeeignet.

Julius Endert bekräftigte diese These und forderte Medienhäuser auf genau an diese Entwicklung anzusetzten. Medien müssen lernen Blogs zu moderieren und in ihrer Unternehmenskommunikation zu integrieren. Danach kommt der Journalist und leidenschaftliche Blogger Don Alphonso zu Wort. Für ihn ist das entscheidende Kriterium beim Bloggen nicht zwingend die Aufmerksamkeit, so wie es Endert kurz davor behauptete. In erster Linie entscheidet beim Bloggen die freie Äußerung von Gedanken. Der Blogger will Geschichten erzählen, die manche Menschen aus gemeinsamer Interesse mit ihm teilen (lesen und kommentieren), aber in erster Linie, geht es ihm nicht darum so viele Leser wie möglich zu generieren. Der Blogger selbst wird somit zum eigenen Medium und wird damit unersetzbar. Verlierer sind nach dieser Theorie die Medien, da diese mit der Individualisierung der Blogger nicht konkurrieren können. Als negatives Beispiel erwähnt Don Alphonso das Süddeutsche Blog. Dort wurde die Online-Redaktion regelrecht gezwungen zu bloggen, was zur Folge hatte, dass das Blog nicht authentisch wirkt und somit bis heute seinen eigentlichen Zweck nicht erfüllt. Von einer Entstehung eines Microjournalismus war die Rede. Netter Begriff, allerdings erinnert mich das alles wohl eher an den zunehmenden Trend zur Verschlagwortung. Alles braucht heutzutage ein Label, ansonsten kann sich die Information im Fluss der vielen Innovationen nicht behaupten. So scheint es zumindest. Der Microjournalismus hat den Online-Journalismus in den USA schon erheblich verändert. Besonders deutlich wurde dies bei der letzten Präsidentschaftswahl, wo unheimlich viele US-Bürger gebloggt haben. Die roten Blogs wurden komischerweise überhaupt nicht erwähnt. Da hätte ich eigentlich eine „Bei uns gab es das doch auch “- Äußerung erwartet. Das rasante Wachstum von Blogs in Asien wurde von Don Alphonso durch eine zynische Bemerkung kommentiert. So kritisierte Don Alphonso die Yahoo-Group, die angeblich mehrere Internetadressen von Yahoo-Mitgliern mit Contra-Regimestandpunkten an die Regierung weitergeben hat. Die Blogüberwachung im Sinne von Zensur von nicht korrekten Bloggingbeiträgen hält er für äußerst kritisch.

Volker Gläser, Director Media & Search der Yahoo Group, entgegnete darauf, dass sein Unternehmen sich in Deutschland an die Gesetze halte, und dies demnach auch in China tun muss. Ein Gemisch aus Raunen und Lachen durchzog den Saal. Gläsers weitere Vorstellung glich vielmehr einer schlecht vorbereiteten Lobeshymne für sein Unternehmen. Neues bzw. Interessantes zum Thema hörte man von ihm nicht, lediglich, dass die Integration von Social Software in Deutschland typisch deutsch sei. Ganz nach dem Motto „ Erstmal schauen was Amerika damit so macht“ dann aber „richtig Gas“ geben. Keine wirklich bedeutende Message wie ich finde.

Stefan Keuchel, Pressesprecher von Google wirkte auf mich wie der perfekte BWL- Student aus Mannheim. Nobel im Anzug, aber der stylische Irokesenschnitt, der den Touch eines jungen, smarten und unkonventionellen Geschäftsmanns erwecken sollte. Vielleicht hätte ihm einer sagen sollen, dass Iros schon längst wieder völlig out sind. Keuchel unterstrich mit seinen Kommentaren die Wichtigkeit von Corporate-Blogs. So sagte er, dass alle Pressemitteilungen von Google mittlerweile auch in den Google Blogs gepostet werden. Blogger gelten somit genau wie Journalisten als wichtige Mulitiplikatoren. Natürlich erwähnte Herr Keuchel auch die Tatsache, dass sich das Blogging für Unternehmen positiv auf das Suchmaschinen-Ranking auswirkt. Ein bisschen Eigen-PR wollte er sich nicht entgehen lassen. Pro Verlinkung wird man eben besser gefunden, logisch nicht? So ganz nebenbei erwähnte er zum Stichwort Geldverdienen mit Blogs das Schlagwort „Blogvertising“. Hier werden Ads passend zum Blog-Inhalt geschaltet. Der Weblog-Betreiber erhält dann bei jedem Click eines Users einen bestimmten Betrag.

Laut Julius Endert gibt es viele Themen, die zunächst in der Blogosphäre heiß diskutiert werden, bis sie von den traditionellen Medien aufgegriffen werden. Weblogs gelten nach diesem Verständnis zum Bestandteil der Recherche von Journalisten. Don Alphonso widerspricht dieser These und stellt sich klar auf die Seite der Journalisten. „Kein Journalist der Welt hat die Zeit und die Nerven alle Einträge der letzten Wochen in Unternehmensblogs zu durchforsten um relevante Informationen rauszufiltern. Blogs ziehen deshalb keine Journalisten auf sich. Sie sind vielmehr als Soap Operas zu verstehen, die unterhalten aber nicht zwingend informieren sollen. Als äußerst witzig fand ich den Moment als Christopher Schulteis von seinem kläglichen Spendenaufruf auf BILDblog berichtete. So resümiert er, dass er doch wirklich an das Gute im Menschen dachte und sich erhoffte, dass vielleicht jeder zehnte BILDblog-Leser so ganz freiwillig ein Euro pro Monat rüber wachsen lässt. Natürlich stecken da keine Gewinnabsichten dahinter. Das Geld diene lediglich zur Existenzsicherung. Diese Äußerung wirkte beinahe wie ein flehender Bettelruf. Der freie Journalist neben mir konnte sein Lachen nicht mehr verkneifen. Ich hatte das Gefühl, dass er den finanziellen Hilfeschrei nachvollziehen konnte, so schlich er sich im Laufe der Veranstaltung ganze vier Mal zur kostenlose Getränke- und Brezelausgabe.

Sehr trefend fand ich die Bewertung von Don Alphonso über die beiden Medienvertreter an diesem Abend. Burda und Handelsblatt. So schien es tatsächlich, als dass die beiden Herrschaften sich über die Zerstörung des klassischen Journalismus beklagen wollten und Weblogs aus ihrer Sicht als „notwendiges übel“ gelten. Nach dem Motto. Irgendwie müssen wir ja digital mithalten können. Den richtigen Mehrwert für die Medien konnte aber keiner der beiden Vertreter wirklich plausibel darstellen.

Live gebloggt wure auf dem neu eingerichteten Medienmitttwochblog, allerdings hat sich an diesem Abend kein Blogger aus seiner Home-Office zu Wort gemeldet. Das ganze gilt als Experiment, je nach Resonanz soll das Blog bei zukünftigen Veranstaltungen genutzt werden. Ich bin mal gespannt, wie groß die Bloggernachfrage ist.

Mein Fazit des Abends. Ziemlich viel Geschwätz, wenig neue Erkenntnisse und verdammt wenige weibliche Bloggerinnen bzw. Blogginginteressierte.

  1. Keine Bloggerinnen dabei? Als Bloggerin wundert mich das garnicht: Wir sitzen eben meist an der Tastatur, statt uns auf Echtzeit-Veranstaltungen für wichtige Männer mit Kravattenzwang herunzutreiben 😉

    Zum Thema Soap-Opera: Wer einen Feedreader hat, kann sich schnell informieren. Natürlich nur, wenn er dünkelfrei unterhalb der journalistischen Heiligenscheinsphäre operiert und akzeptiert, dass auch andere Medien/Schreiber eine Meinung ausdrücken und Info weitergeben dürfen. Blogs werden – wie so viele schöne Dinge hier – gerne mal totgeredet.

    Wer schreibt, der bleibt (alte Skatregel)

  2. Die obige Veranstaltung am vergangenen Mittwoch im Handelsblatt hatte mich ebenso neugierig gemacht, wie Verena Schmuck – um so enttäuschter war ich von der Podiumsveranstaltung: Ich fand sie erschreckend unkonzentriert. – Oder doch nicht?

    Auf Diskussionsteilnehmer Don Alphonos Hinweis, die Bloggenden als „Mikromedien“ würden die klassischen Medien (-strukturen) auflösen, gab es keine wirkliche Reaktion oder Position. Daß im Weblog-Journalismus »news« durch so etwas wie »Anregungen« ersetzt würden, keine Reaktion. Daß blogs quasi »Persönlichkeiten« seien oder sein müßten, wollen sie denn eine gewisse Wiedererkennbarkeit, Trag- (zugegeben, heißt dann auch: Reich-) weite und Lebensdauer haben, gab es keine wirkliche Einlassung. Welche Radikalität des Kommunizierens und Marktbegriffs entsteht, wenn die Forderung »Wenn ein Unternehmen bloggt, dann muß es ALL seine Kommunikation via Bloggen machen«, das wurde gar nicht erst aufgegriffen. Die aus dem Publikum kommende Verknüpfung »Bloggen und Literatur«, wiewohl ziemlich naiv und beinahe kitschig sentimental vorgebracht, hat offenbar keinen weiteren Gedanken über »Fiktionalität vs. Faktizität« oder »Literarizität (im Sinne von Fiktion) und »Persönlichkeit« (solcher »Phänomene« wie Blogs)« angestoßen – was ich als Literatur-Verleger besonders schade fand, aber einen Denkanstoß mit nach Hause nehmen ließ.

    Grundlegend überraschend war in jedem Falle, die im Publikum (das wohl vor allem aus Medien- und PR-, Marketing- und Werbe-Agentur-Leuten bestand, und das Publikum war in puncto gender durchaus paritätisch) vorhandene Unkenntnis der Blog-Welt – und auf dem Podium konnte teils nicht mal das hippe englische Wörtlein dazu ohne gebrochene Zunge rausgebracht werden. Erstaunlich!

    Erschreckend jedenfalls in der Konstellation, wenn die anwesenden 120 Zuhörenden, die sich einbilden, Marktbildner (für Agenturkunden und Leser) zu sein, so lämmerunbedarft sind, während oben bei den beiden Groß-Institutionen am (Meinungs-) Markt, man möchte fast fürchten: konzentriert, geschwiegen wird.

    Axel Dielmann, axel dielmann – verlag

  3. @axel dielmann: Die fachliche Zusammensetzung des Publikums überrascht nicht: Wie viele Leute glauben, etwas zum Thema sagen zu können, bloß weil sie den Begriff schon einmal gehört haben. Nicht zuletzt Richter, die über Blogs und die Verwendung von Begriffen als Marken urteilen (Stichwort Hidi Klum, Bremer Sozialgericht usw.).

    Zudem sind die Meinungen zur Effektivität von (Business)blogs als Marketinginstrument recht gespalten. Hier wollen alle mal mitreden. Blogger sollten Fakten schaffen und dann können Marktforscher diese auswerten. Am besten natürlich, wenn die Datenbasis breit ist und nicht nur Gerüchte (statt Logfiles) als Quelle herangezogen werden.

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