Chatten, kontaktloses Zahlen, Jobangebote einsehen, Reisen planen – alles in einer App. Mit WeChat hat die asiatische Gesellschaft zahlreiche Möglichkeiten, wenn es um digitale Zahlungsvorgänge und Vernetzung geht. Der Einfluss der App reicht sogar bis ins tiefste Bayern.
Was ist WeChat?
WeChat ist ein chinesisches Chatprogramm, welches ab 2011 zuerst auf dem asiatischen Markt und später auch in Europa eingeführt wurde. Über 960 Millionen Nutzer zählt die App täglich. Selbst Fußball-Star Lionel Messi warb einst für die Anwendung, die anfangs ein reiner Messenger war. Mit der mittlerweile integrierten Zahlungsmöglichkeit ist eine stationäre Bezahlung im chinesischen Einzelhandel kein Problem, sondern viel akzeptierter, als Bargeld. Auch in der Gesellschaft. Sogar die eigene ID-Card kann in der App angezeigt werden. Jegliche Datensätze fließen mehrheitlich an die chinesische Regierung. Seit Mitte 2017 besteht die Möglichkeit dieser Zahlungsweise auch in Deutschland. Jedoch nur mit der chinesischen Version. Den meisten Deutschen ist die starke Entwicklung der App bislang aus einem einfachen Grund verborgen geblieben: Der deutschen WeChat-Version fehlt schlicht die Bezahlfunktion.
Bargeldlos zahlen ist Normalität
Aber bislang nur für chinesischen Nutzer, welche größtenteils Touristen aus dem asiatischen Land sind. Der Einzelhandel und diverse Dienstleister bieten die digitale Bezahlmethode schon an. Bei WeChats stärkstem Konkurrenten AliPay, kann schon bei dem Drogeriemarkt Rossmann, dem Haushaltswarenhändler WMF und sogar am Frankfurter Flughafen gezahlt werden. Selbst der FC Bayern München betreibt aktiv Marketing mit WeChat und teilt Vereinsneuigkeiten direkt mit seinen chinesischen Anhängern. Doch nicht nur der Einzelhandel oder Sportvereine machen sich die Reichweite des bevölkerungsreichen Landes zur Nutze. Der Deutsche Akademische Austauschdienst betreibt mit der Kampagne „Research in Germany“ auch in puncto Bildung und Wissenschaft Marketing im chinesischen Terrain. Auf WeChat erhalten interessierte Chinesen Informationen zu Forschung und Wissenschaft in Deutschland, Karrieremöglichkeiten und Stipendienausschreibungen. Im Fokus steht speziell eine junge Zielgruppe. Bei dieser ist auch das Reiseland Deutschland hoch im Kurs.

Im Berchtesgadener Land spricht man Chinesisch
Man würde meinen, dass touristische Metropolen wie München bereits intensiv Marketing mit der App betreiben. Hierbei tut sich aber eine andere Region Bayerns positiv hervor: Die Berchtesgadener Land Tourismus GmbH setzt auf den Einsatz von WeChat zu Marketing-und Servicezwecken. Die Region ist ein beliebtes Ziel von chinesischen Touristen, die neben dem Shopping in großen, europäischen Metropolen auch die bayerische Kultur erleben möchten. Besonders bei der älteren Generation sind jedoch kaum bis keine Englischkenntnisse vorhanden.

Grund genug, auch diese ansprechen zu können. Informationen zu Ausflugszielen und Traditionen können bequem in der App eingeholt werden. Selbstverständlich in chinesischer Sprache. Besonders ist ebenso ein Übersetzungshandbuch mit den wichtigsten Begriffen in Berchtesgaden. Touristen haben die Möglichkeit, sich in einer WeChat Gruppe mit anderen auszutauschen, zu diskutieren und sich gegenseitig zu beraten. Der Aspekt des reinen Chattens, der eigentlich Kernkomponente eines Messengers darstellen sollte, wird bewusst erweitert. Und somit ebenfalls auf diverse Ebenen des gesellschaftlichen Lebens ausgeweitet. Doch ist das auch in Deutschland realisierbar?
Ist Deutschland bereit?
Die bargeld verliebten Deutschen würden sich wahrscheinlich schwer tun, so viele Komponenten in einer App komprimiert zu haben. Seit neuestem ist ApplePay auf dem deutschen Markt erhältlich. Bei näherem umhören in meinem Bekanntenkreis war kaum bekannt, dass es nun so eine Bezahlmethode auf dem Markt gibt und das noch von Apple. Allein schon bei der Verwendung von EC-oder Kreditkarten an der Kasse werden gerne mal die Augen gerollt. Bargeldloses Zahlen ist weiterhin eher verpönt. Das ist längst bekannt, doch auch in puncto Datenschutz würde man in Deutschland auf Granit beißen. Persönliche und finanzielle Daten an einen chinesischen Konzern Preis geben? Unvorstellbar. Eine App, die sensible Daten direkt an die Regierung weiterleitet, würde hierzulande wohl einen Skandal auslösen.
Destinationsmarketing in digitaler Pracht
Interessant und weniger utopisch stellt sich die Situation für Unternehmen da, die mit dem Messenger einen zusätzlichen und äußerst effizienten Marketingkanal nutzen könnten. Die deutsche Tourismuslandschaft bietet Potenzial, denn das Land steht bei der chinesischen Bevölkerung schon länger hoch im Kurs. Resümierend erlaubt WeChat besonders Destinationen und dem dazugehörigen Marketing enorme Chancen, wenn es um das Erreichen asiatischer Zielgruppen geht.
Sollten sich also deutsche, touristische Unternehmen vermehrt mit der App auseinander setzen? Kann die App ein Erfolgsgarant im Destinationsmarketing darstellen wie im Falle des Berchtesgadener Landes?