Ein Semesterprojekt von Alina Drewitz und Elisabeth Riehle.
Wir alle sind ihnen schon einmal begegnet, denn vor allem in Zeiten von Social Media haben sie große Plattformen gefunden: Shitstorms. Aber wie entstehen sie überhaupt und kann man sie voraussehen und sogar für sich nutzen?
Wir haben mit zwei Profis über das Thema gesprochen: Prof. Dr. Lars Rademacher, Professor für Public Relations und Studiengangsleiter Onlinekommunikation und Prof. Dr. Philipp Rauschnabel, Marketing Researcher, Consultant, Speaker & Instructor und Experte in Branding, Social Media, Augmented Reality Smart Glasses / AR, haben ihre Eindrücke und Erfahrungen mit uns geteilt.
Herausgekommen ist eine Infografik, die als Guide Community Manager in Krisensituationen unterstützen soll.
Was ist ein Shitstorm?
Ab wann negative Kommentare als Shitstorm gelten, ist nicht klar abgrenzbar. Was einen Shitstorm allerdings ausmacht, sind viele negative, emotionale, beleidigende Kommentare, die die Stimmung gewollt in eine Richtung lenken und somit quasi eine Art “gleichgerichteten Strom” bilden, so Lars Rademacher.
Philipp Rauschnabel, der zusammen mit Nadine Kammerlander und Björn Ivens bereits die Studie “Collaborative Brand Attacks in Social Media: Exploring the Antecedents, Characteristics, and Consequences of a New Form of Brand Crises” veröffentlicht hat, beschreibt es als eine “kollaborative Attacke auf eine Marke” und erklärt so auch den Namen Collaborative Brand Attack.
Gerade außerhalb des deutschsprachigen Raumes ist es empfehlenswert nicht Shitstorm zu sagen, denn übersetzt bedeutet es das, was dort steht. Deshalb die Begriffe “Collaborative Brand Attack” oder “Online Firestorm” – beschreiben genau das gleiche Szenario mit passenderen Worten 😉
Kann man einen Shitstorm voraussehen?
“Voraussehen kann man das gar nicht, da es sehr schnell passiert”, so Philipp Rauschnabel, “man kann es aber bemerken”. Denn ob und wie die Community auf Beiträge reagiert ist von vielen Faktoren abhängig: So spielen aktuelle Geschehnisse, persönliches Befinden und auch soziale Einflüsse eine Rolle bei den Reaktionen auf Inhalte im Netz. Man kann jedoch aufmerksam verfolgen, ob die Stimmung innerhalb der Community oder unter einem bestimmten Beitrag kippt und sich ins Negative bewegt.
Auch wenn man einen Shitstorm nicht voraussehen kann, so sollte man ihn jedoch schon bei der Planung des Contents berücksichtigen. Dabei hilft es beispielsweise, verschiedene Rezipientenpositionen einzunehmen, sagt Lars Rademacher. Sich also in die Rolle der Community reindenken, aus den verschiedensten Positionen und alle Inhalte auch immer kritisch betrachten. Zudem gibt er zu bedenken: “Es gibt nicht selten die Situation, dass so etwas mit Absicht passiert. Also jemand verstößt gegen die political correctness und produziert dadurch einen Aufschrei. Es will gar nicht jeder einen Shitstorm vermeiden.“ Und auch das sollte man immer im Hinterkopf behalten und darauf eingestellt sein.
Hoch lebe der Community Manager!
Sollte ein Beitrag innerhalb einer Community in einen Shitstorm ausarten, liegt es am Community Manager die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen. Aber wie reagiert man angemessen in so einer Situation und was sollte man lieber sein lassen? Auch hier gibt es kein richtig und falsch, denn es ist ja nie genau absehbar, wie die Community worauf reagiert.
Philipp Rauschnabel empfiehlt dem Community Manager moderierend in das Geschehen einzugreifen und die Kontrolle über die Situation zu gewinnen. “Ruhe bewahren, transparent argumentieren und nicht löschen – Fehler gegebenenfalls sofort eingestehen und korrigieren, sofern das möglich ist”, rät der Experte.
Lars Rademacher ergänzt, dass das Löschen von vereinzelten Kommentaren mit klarer Ansage warum dann angebracht ist, wenn sie volksverhetzende oder rassistische Aussagen enthalten. Ansonsten sieht auch er die Chancen des Community Managers ganz klar im Dialog mit den Leuten.
Sollte man Shitstorms provozieren und diese positiv für das Unternehmen nutzen?
Kann man machen, muss man aber nicht 😉 Was bei einem Shitstorm passiert und welche Ausmaße Kommentare und Aktionen der Nutzer annehmen können, ist wie bereits erwähnt nie genau vorhersehbar. Einen Shitstorm bewusst zu provozieren, könnte also auch nach hinten losgehen. Ein provokantes Thema ansprechen, um einen Missstand aufzudecken und einen Shitstorm dabei in Kauf zu nehmen, ist allerdings sehr mutig und legitim.
Einen Shitstorm in etwas Positives zu wandeln, sollte zudem immer das Ziel sein – und das ist auch möglich, wie das Beispiele der Schengener Feuerwehr aus Luxemburg zeigt: Nachdem es viel Spott für einen Feuerwehrmann gab, der bei einem Einsatz in kurzen Hosen fotografiert wurde, startete die Feuerwehr mit #domengboxun (zu Deutsch zieh meine Hosen an) eine Offensive gegen Trolle und Hater. Um Urteilen zu können, sollte man den Hintergrund eines jeden Bildes erst einmal kennen. In diesem Fall war es so, dass der Feuerwehrmann in seiner Freizeit zufällig in der Nähe eines Brandes war, sich wenigstens seine Jacke und seinen Helm schnappen konnte und sofort zu Hilfe eilte.
Exakter Notfallplan vs. Flexibilität?
Die Mischung macht’s! Beide Profis sind sich einig: Man sollte einen Masterplan in der Hinterhand haben, aber auf jeden Shitstorm individuell und flexibel reagieren. Wichtig ist, dass Mitarbeiter gleichermaßen gebrieft werden und wissen, welchen Standpunkt sie vertreten und mit welchen Statements sie argumentieren können.
Es sollten also immer Guidelines parat stehen, die einen groben Weg vorgeben, aber eine flexible Handhabung zulassen. Klingt machbar, oder?
Und danach?
Das Wichtigste nach einem Shitstorm ist, wieder zum Normalzustand zurückzufinden – die Community für sich gewinnen, den Shitstorm aufarbeiten, und für die Zukunft gewappnet sein. Die Angst, dass so etwas noch einmal passieren könnte sollte einem nicht im Weg stehen, sondern daran erinnern, auch in Zukunft auf Shitstorms vorbereitet zu sein.
Geheimtipps der Profis!
Ob ein Shitstorm nun zum Fluch oder Segen wird, hängt ganz von der Community, vom Unternehmen und dem Community Manager ab. Vorbereitung ist das A und O! Wer weiß, wie bei einem Shitstorm zu reagieren ist, kann ihn nicht verlieren 😉 Mit einem lustigen Spruch auf den Lippen, etwas Sympathie, Humor und der nötigen Ernsthaftigkeit können Unternehmen auch in Krisensituationen ihre Community für sich gewinnen, wenn sie nur richtig darauf vorbereitet sind.
tl;dr
Shitstorms sind nicht immer vorhersehbar, aber bemerkbar und man sollte sie bei jeder Planung bedenken. Allerdings bedeutet ein Shitstorm nicht gleich Fluch, sondern kann auch ein Segen für ein Unternehmen oder eine Marke sein, wenn richtig damit umgegangen wird. Das Löschen oder Ignorieren ist dabei nicht die richtige Vorgehensweise – der Community Manager sollte stattdessen den Dialog mit der Community suchen und mit Hilfe von vorher zurecht gelegten Guidelines die Werte des Unternehmens oder der Marke präsentieren und so die Community wieder für sich gewinnen.
Many thx
Außerdem möchten wir uns an dieser Stelle noch herzlich bei Lars Rademacher und Philipp Rauschnabel für ihre Zeit und ihren Input bedanken: Durch Sie ist unser Projekt einzigartig geworden und durch den Kontakt mit Ihnen konnten auch wir persönlich viel mitnehmen – DANKE! 🙂