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Schöne neue Bloggerwelt?

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Blogger sind jung und gebildet! Dieses Ergebnis der Focus-Studie „Communication Networks (CN) 10.1 Trend“ bestätigt, wie schön und attraktiv die Welt der Blogger ist. Man kann ganz legal die Sau rauslassen (Don Alphonso) und sich dabei auf dem Höhepunkt der Zeit fühlen.

Blogger werden nicht müde zu betonen, wie unabhängig und aufgeklärt sie sind. Jeder kann seine Meinung sagen „ohne die Grenzen des journalistischen Schreibens. Man kann kreativ all das ausprobieren, was ein Redakteur jedem Praktikanten sofort raus streichen würde.“ (Don Alphonso).

Aber es gibt auch andere Stimmen. „Bühnen des Mobs und der Wichtigtuer, die entstehen, wenn die digitale Revolution ihre Kinder ins Mitmach-Web“ entlässt“, schimpft der Kommunikationsspezialist Rudolf Maresch über Web 2.0. Seine Hauptkritikpunkte daran sind Geschäftemacherei, Anonymität bei Blogs und Wikis sowie Intransparenz und Verantwortungslosigkeit.

Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaft an der TU Berlin, moniert, dass die „jungen Medien ein neues Forum für Exhibitionismus bieten und Schamgrenzen der Selbstdarstellung senken“. Gesammeltes Laienwissen trete in Konkurrenz zum Expertenwissen“.

Der Erfinder des Begriffs „virtual reality“ und Digitalvisionär Jaron Lanier kritisiert, dass „nur das ganz große, das Kollektiv“ zähle und weniger der einzelne Mensch, was „totalitären Ideologien“ oder einer „neuen Religion“ gleiche. Die Macht des „Durchschnitts von Meinungen führe zu Gedankengleichmacherei, er selbst habe „Wiki-Lynchjustiz“ verspürt.

„Schnell wird der Einzelne Opfer des Mobs; die Gefahr von Wiki-Lynchjustiz halte ich für sehr real. In der Wikipedia-Welt bestimmen jene die Wahrheit, die am stärksten besessen sind. Dahinter steckt der Narzissmus all dieser kleinen Jungs, die der Welt ihren Stempel aufdrücken wollen, ihre Initialen an die Mauer sprayen, aber gleichzeitig zu feige sind, ihr Gesicht zu zeigen.“ (13. November 2006, „Eine grausame Welt“, der Digitalvisionär Jaron Lanier über seine Zweifel an Wikipedia).

Trotzdem beharren Optimisten darauf, dass Web 2.0 kommunikativ jeden Empfänger zugleich zum Sender mache, jeden Konsumenten von Medien zu deren Produzent. Bringt das dann auch einen Journalismus 2.0 hervor? Der frühere kress-Chefredakteur und jetzige Vanity-Fair-Kolumnist Peter Turi warnt davor, das Phänomen Web 2.0 als mediale Herrschaft der Massen zu unterschätzen. Konflikte sieht er im Aufeinandertreffen von Verlagen, die sich dem Web 2.0 öffnen müssen, und den „Alpha-Tieren der Blogszene“, die gern ihre Deutungshoheit über die Sphäre behalten würden.

Interessante Einblicke dazu bot auch die Berliner Szene-Konferenz re:publica 07 Mitte April mit über 700 Aktivisten. Von einer Grauzone um den Journalismus herum spricht die neue Studie „Klicks, Quoten, Reizwörter“ der Friedrich-Ebert-Stiftung. In Ihrem Auftrag haben die beiden Online-Journalisten Steffen Range und Roland Schweins Nachrichten-Sites im Internet analysiert und festgestellt, dass dieser Parajournalismus kaum journalistischen Qualitätsansprüchen genügt.

Nachrichten im Web würden nicht nach Wichtigkeit und Relevanz ausgewählt, sondern nach Einschaltquote, was Einfluss auf Themenselektion und Gestaltung nach Massengeschmack habe. Fazit der beiden Mittdreißiger: „Von Laien betriebene Vor- und Scheinformen von Journalismus in Gestalt sozialer Netzwerke und Weblogs erweisen sich als Bedrohung für den redaktionell betriebenen Journalismus“.

Auszugsweise gefunden bei „Menschen machen Medien“, ver.di-Zeitschrift Nr. 5/07