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Rebellion der Umweltschützer

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Was haben ein kleiner Junge aus einem VW-Werbespot und die rechte Hand des Imperators, Darth Vader, aus der sechsteiligen Science-Fiction-Saga Star Wars von George Lucas gemeinsam? Sie tragen das gleiche Kostüm. Der „Mini-Vader“ trägt sicher dazu bei, dass das Werbevideo „The Force“ von VW auf You Tube seit dem 2. Februar dieses Jahres bereits über 41 Millionen Mal geklickt wurde. So kommentiert ein User auf You Tube, das Video sei lustig und süß zugleich. Andere behaupten gar, es sei das beste Werbevideo aller Zeiten. Der Erfolg des Clips, der den VW Passat bewirbt und erstmalig im Programm des Super Bowls ausgestrahlt wurde, ist aber nicht gänzlich hausgemacht. Denn VW greift auf Elemente aus der Star Wars Filmreihe zurück. So wird für den Werbefilm nicht nur das Kostüm des Bösewichts Darth Vader in Kindergröße verwendet, auch ein Stück mit dem Namen „The Imperial March“ aus der Filmmusik, die von John Williams komponiert wurde, ist zu hören. Die Attribute witzig und süß paaren sich also mit Elementen des finanziell erfolgreichsten Filmprojekts aller Zeiten.  Zu diesem Urteil kam zumindest das Forbes Magazin im Jahre 2005. Es schätze die Einnahmen, die durch Star Wars Merchandising Produkte in einem Zeitraum von 28 Jahren erwirtschaftet wurden, auf rund 20 Milliarden US-Dollar. Macht also das finanziell erfolgreichste Filmprojekt aller Zeiten den VW-Werbespot ebenso erfolgreich? VW jedenfalls hat sich die Lizenzen von der Lucasfilm Ltd. gesichert und vermutlich einiges Kosten lassen.

Volle Breitseite

Der Erfolg des VW-Spots wird die Lizenzkosten amortisieren und selbst die Umweltorganisation Greenpeace sagt, dass der Spot gut gemacht, witzig und niedlich sei. Trotzdem ist man der Meinung gewesen, dass der epische Stoff aus Star Wars viel besser zu dem passe, „was Volkswagen mit unserem Planeten geschehen lässt.“ Der Prolog zu einer ausgeklügelten viralen Kampagne. Bei Greenpeace Großbritannien fackelte man also nicht lange und machte sogleich aus dem „epischen Star Wars Stoff“ etwas, das man als volle Breitseite verstehen kann. Gleichzeitig feuerten die Umweltschützer Ende Mai dieses Jahres alle Social-Media-Geschütze auf VW ab und starteten in Anlehnung an die Star Wars Saga eine Rebellion gegen das dunkle VW-Imperium. So veröffentlichten sie ihrerseits ein Video, das nicht nur durch die originale Filmmusik an Star Wars erinnert. In diesem Beitrag mit dem Titel: „VW: The Dark Side“ taucht wieder ein kleines Kind im Darth Vader Kostüm auf, bekommt aber schnell Gesellschaft von weiteren kleinen Helden aus der Star Wars Filmreihe. Gemeinsam versuchen sie den Mini-Vader zu bekehren. Schließlich erscheint aber der Todesstern im Orbit, ein mächtiges Raumschiff, das ganze Planeten zerstören kann. Es feuert seinen alles vernichtenden Laserstrahl auf die Erde ab. Damit endet der Spot. Pikant ist – auf dem Raumschiff prangt das Firmenlogo von VW. Zu sehen ist der Spot auf der Webseite der Kampagne sowie auf den Videoportalen You Tube und Vimeo. Er erfreute sich höchster Beliebtheit und fand seine Fortsetzung in einem zweiten Video (VW: The Dark Side – Episode II).

Um die Kampagne weiter bekannt zu machen, wollte man bei Greenpeace aber nicht allein auf die Videoclips setzen. Sprich: Jeder Nutzer, der sich auf der Kampagnenseite registriert, darf an einem „Spezialtraining“ teilnehmen. Dazu erhält er eine eigene Seite innerhalb der Kampagnenseite. Beim Einladen von Freunden, die sich dann auf der offiziellen Seite registrieren, erhält der Nutzer Punkte. Beim Erreichen der maximalen Punktzahl winkt ein gratis Shirt von Greenpeace. Mittlerweile haben sich über 300.000 Nutzer auf der Seite registriert, was wohl auch zwei weiteren Auftritten im Netz geschuldet ist. Sowohl auf Facebook als auch auf Twitter ging Greenpeace in die Offensive.

Die Kampagne begründet Wolfgang Lohbeck, Klima- und Verkehrsexperte bei Greenpeace folgendermaßen: „Entgegen seiner öffentlichen Selbstdarstellung und trotz seines überragenden Potentials hat VW ein schwaches umweltpolitisches Profil.“ Der Konzern müsse „Farbe bekennen und scharfe CO2-Grenzwerte unterstützen“. Außerdem bemängelt die Organisation, dass von den sparsamsten Modellen bei VW nur marginale Stückzahlen abgesetzt würden. Diese seien auch nur zu einem Aufpreis von rund 1.000 Euro im Vergleich zu ihren Pendants ohne die Spartechnik „Blue Motion“ zu erwerben. Die Käufer würden daher eher zu den Modellen greifen, die die Umwelt mit höheren Emissionswerten belasten. Auf der sozialen Plattform Scribd schildert Greenpeace die Vorwürfe gegenüber VW ausführlich.

“Victory for Internet freedom!“

Die Kampagne war gerade angelaufen, da schien sie auch schon wieder gestorben zu sein. Denn vom 31. Mai auf den 1. Juli dieses Jahres wurden die Videos durch die Lucasfilm Ltd. auf der Kampagneseite, auf Vimeo und You Tube gesperrt. Auf You Tube wurde gar der gesamte Greenpeace Kanal vom Netz genommen und folgende Meldung war zu lesen: „Das YouTube-Konto GreenpeaceVideo [!] wurde gekündigt, weil wir von Drittparteien mehrere Benachrichtigungen über Urheberrechtsverletzungen erhalten haben. Zu den Beschwerdeführern gehören: Lucasfilm Ltd.“ Auf Vimeo erfuhr man ähnliches: „Sorry, “VW: The Dark Side” was deleted at 12:10:45 Fri Jul 1, 2011. Vimeo has removed or disabled access to the following material as a result of a third-party notification by Lucasfilm Ltd. claiming that this material is infringing: VW: The Dark Side. We have no more information about it on our mainframe or elsewhere.“

Ein herber Rückschlag für Greenpeace. Hatte man etwa darauf gesetzt, dass Lucas im Namen des Umweltschutzes keine Ansprüche auf Lizenzgebühren erheben würde? Wenn ja, dann war das mehr als blauäugig, geradezu dilettantisch. Einerseits wurde das Vorgehen von Greenpeace in der Netzwelt belächelt. Andererseits entfachten sich auch recht schnell Diskussionen über Grundrechte in Deutschland. Beispielsweise schrieb ein verärgerter User auf Netzpolitik.org: „Das is doch krass!! Da wohnen wir in einem Rechtsstaad wo es Pressefreiheit und so weiter gibt. Und dann pasiert sowas das is doch zensur puur!!“ Andere dachten hingegen in eine ganz andere Richtung: „Ich glaube Greenpeace hat Lucasfilm den Hinweis selbst gegeben – besser konnten die den Bekanntheitsgrad nicht erhöhen… ;-).“
Worauf dieser User anspielt, ist der sogenannte Streisand-Effekt. Nach der Wikipedia tritt er auf, „wenn durch den Versuch, eine Information zu unterdrücken, genau das Gegenteil erreicht wird, nämlich die Information besonders bekannt gemacht wird.“

Und dass sich die Videos trotz der Sperrung hartnäckig im Netz verbreiteten, spricht für diese Theorie. Der Virus hatte also bereits um sich gegriffen, drohte aber dennoch an dem Verbot zu verenden. Waren doch die Clips auf den bekanntesten Videoportalen, die Flaggschiffe der Kampagne. Greenpeace wandte sich daher am 1. Juli in einem Brief umgehend an You Tube, um eine Freischaltung des Kanals zu fordern. Da es sich bei den Videos um eine Parodie, des VW Spots handele, habe man keine Gesetze verletzt, so die Meinung der Rechtsabteilung der Organisation. So konnte man zumindest die Freischaltung des Greenpeace Kanals auf Youtube am 3. Juli erwirken. Knapp zweieinhalb Wochen später, am 20. Juli dieses Jahres wurden sogar die Videos der Kampagne wieder freigegeben. Auf allen Kanälen wurde diese Nachricht euphorisch verbreitet. Auf der Facebook Seite konnte man lesen: “Victory for Internet freedom! Our Volkswagen film has been unblocked on YouTube. After two weeks of censorship, it’s now available again for all to see.”

Von Gewinnern und Gewinnern

Manche mögen denken Greenpeace sei mit einem blauen Auge davon gekommen, andere sagen, dass die Sperrung der Videos, das Beste war, was ihnen passieren konnte. Getreu dem Streisand-Effekt. Bei dieser Kampagne scheint es keine Verlierer zu geben. Auch der VW-Konzern dem die Kampagne  gilt, hat sich bisher vorbildlich verhalten und dank offensiver Informationspolitik gepunktet. Ganz anders als Nestlé in einem ähnlichen Szenario. Der Lebensmittelkonzern ließ in der „KitKat-Palmöl-Affäre“ ein Video von Greenpeace auf YouTube zensieren und eine KitKat Fanseite auf Facebook verschwinden. So handelte er sich damals den Zorn der Netzgemeinde ein und verursachte den Streisand-Effekt selbst. Ob VW gegen die Darkside-Kampagne von Greenpeace etwas Ähnliches geplant hatte, oder gar bei Lucas petzen war, bleibt im Dunklen. Der Automobilkonzern fährt auf jeden Fall besser damit, Fragen zu den Vorwürfen von Greenpeace zu beantworten und eigene Argumente für seine Verkaufsstrategie im Netz zu platzieren. Und das machen die Verantwortlichen bei VW trotz all dem Social Media Gewitter sehr professionell. So geschehen auf 0511 web.de.

  1. Vielen Dank für den interessanten Beitrag!

    Passend zum Thema ein Veranstaltungshinweis: Am 7. September sind wir mit unserem Arbeitskreis „Markenkommunikation“ der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) zu Gast bei Greenpeace in Hamburg.

    Den Vortrag „Greenpeace: Aufmerksamkeitsstarke Kommunikation über Social Media“ hält Volker Gaßner, der bei der Umweltorganisation den Bereich Presse, Recherche und Neue Medien leitet. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Entwicklung von Kommunikationsstrategien, Online-Campaigning und Social Media. Er wird berichten, wie Greenpeace die neuen Medien nutzt und mit Offline-Maßnahmen vernetzt.

    Ein paar wenige Plätze sind jetzt noch frei geworden:
    http://www.dprg.de/Termine/Greenpeace-Aufmerksamkeitsstarke-Kommunikation-ueber-Social-Media/279

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