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#Rally4Sanity: Event-PR im Web

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Wie führt man Menschen mit ähnlichen Interessen und Zielen für ein Event zusammen? Die Rally to Restore Sanity and/or Fear findet am Wochenende in den USA statt. Sie zeigt beispielhaft, wie eine Event-Kommunikation im Web über Social Media aussehen kann und wie man Kommunikationskanäle für Nutzer sichtbar macht.

In einer Woche wählen die USA in der Midterm Election das Repräsentantenhaus, Senatoren und Gouverneure. Mit Demonstrationen und Protesten gegen die Regierung versuchen die Republikaner die Deutungshoheit über die bisherige Präsidentschaft von Barack Obama zu gewinnen. Deutsche Medien berichteten vor allem über den Protest am Lincoln Memorial in Washington D.C. am 28. August. Der rechtspopulistische Kommentator Glenn Beck vom Fox Network war die Leitfigur der Bewegung. Die Konservativen schüren Ängste vor einem gottlosen Amerika mit einem sozialistischen, muslimischen Präsidenten Barack Obama.

Mit Satire und Ironie reagieren die Comedy-News-Formate The Daily Show und Colbert Report. Sie stemmen sich am 30.10.2010 mit einer Demonstration gegen die populistischen Bewegungen in den USA. Für die Kundgebung Rally to Restore Sanity and/or Fear wolle man Leute gewinnen, die sonst zu beschäftigt wären, um auf eine Demonstration zu gehen. Auf der offiziellen Website steht:

Ours is a rally for the people who’ve been too busy to go to rallies, who actually have lives and families and jobs (or are looking for jobs) — not so much the Silent Majority as the Busy Majority. If we had to sum up the political view of our participants in a single sentence… we couldn’t. That’s sort of the point.

Eine satirische Abrechnung mit den Pauschalisierungen der Tea Party Bewegung und eine Einladung an das restliche Amerika. Den Grundstein der Kundgebung legten die Satiriker Jon Stewart und Stephen Colbert in ihren Fernsehsendungen Mitte September. Die offizielle Website der Kundgebung führt die Kommunikation im Web weiter. Die Seite zeigt beispielhaft, wie sich die Kampagne einer Kundgebung im Web über Social-Media-Kanäle ausbreiten und verselbstständigen kann. So lustig der Hintergrund und Rahmen der Veranstaltung, so professionell die Ziele. Eine erfolgreiche Kundgebung erreichen Veranstalter nur über eine professionelle Kommunikation.

Die statischen Inhalte

Startseite

Die Grundlage einer Mikrosite für ein Event bildet die Startseite. Sie liefert Orientierung und gibt den Nutzern einen Überblick. Das Datum der Rally steht im Vordergrund des ersten Screens. Über einen Countdown im Header und dem Datum im offiziellen Kundgebungssymbol kommuniziert die Website das Datum zwei Mal. Die Menüpunkte FAQ und Getting There geben Antworten auf die dringendsten allgemeinen Fragen: Anfahrt, Wetter, Essensangebote, Verbote, Spenden und mehr. Die Website bündelt im statischen Kopf die wichtigsten Informationen zur Kundgebung. Der Einführungstext spricht die Websitebesucher direkt an. Er gibt Informationen über Erwartungen und Ziele der Veranstalter. Der Nutzer erreicht sie ohne Suche. Entsprechend einer Kundgebung, bei der gemeinsame Ziele und Interessen im Vordergrund stehen, ist Identifikation wichtig. Auch das Merchandise verbindet eine anonyme Gruppe zu einem Verbund mit gemeinsamer Botschaft. Mehr Identifikation erreicht die Website im zweiten Screen mit dem Social-Media-Angebot.

Dynamische Social-Media-Inhalte

Startseite der Rally4Sanity

Eine Einweg-Kommunikation, PR als Informationstätigkeit, findet über den Newsletter statt. Die Social-Media-Kanäle vernetzen die Teilnehmer und ermöglichen den Dialog untereinander. Die Startseite kommuniziert alle Kanäle auf denen sich die Teilnehmer informieren und austauschen können. Dazu gehören Facebook, Twitter, Foursquare und MeetUp. Auffällig ist die #RALLY4SANITY Hashtag-Platzierung in der größten Schrift. Die Navigation auf der linken Seite verweist auf alle Kanäle.

Twitter dient der Unterhaltung

Twitter und Facebook

Die Inhalte von Twitter und Facebook verbreitet die Rally-Microsite über eine Info-Box. Darüber erhalten Nutzer, die weniger auf Twitter und Facebook aktiv sind, eine Möglichkeit die Diskussionen zu verfolgen. Die Box unterstützt auch die Kommunikation auf den Kanälen. Über die Verbreitung der wichtigsten Hashtags (#rally4sanity, #stewartrally, #sanityrally, #rallytorestoresanity) zur Rally unter Trending topics, steigen Nutzer an den richtigen Stellen in die Diskussionen ein. Die offizielle Kommunikation erfolgt über einen eigenen Rally4Sanity-Account, obwohl die Daily Show selbst über einen Twitter-Account verfügt. Die Twitter-Kommunikation verbindet den Humor aus der Daily Show mit allgemeinen Infos oder informationslosen Aussagen zur Kundgebung. Twitter erfüllt primär den Zweck eines Unterhaltungskanals. Darüber gewinnt der Kanal auch Authentizität, weil Nutzer solche Inhalte von einem Comedy-Kanal erwarten. Er fügt sich in die Gesamtkommunikation ein.

Facebook zur Information

Auf Facebook entsteht keine eigene Seite für die Rally. Stattdessen greift man auf die bestehende Daily Show-Community zurück. Alle Daily Show Facebook-Fans erhalten Infos zur Rally auf ihrer Pinnwand. Auf der Daily Show-Fansite entsteht eine Unterseite zur Kundgebung.  Sie informiert mit einem Video über die offizielle Ankündigung der Rally in der Sendung. In den vergangenen Wochen haben Facbeook-Nutzer Videos erstellt und die Frage beantwortet, warum sie nach Washington zur Rally to Restore Sanitiy gehen. Davon wählte die Daily Show sechs Teilnehmer. Sie stellten sich in der Sendung am 26. Oktober vor. Im Idealfall wirken die Beiträge mobilisierend, weil sich Zuschauer mit dem Gesagten identifizieren.

Spannender scheint ein Blick auf die Pinnwand der Daily Show. Sie dient im Gegensatz zu Twitter als primärer Informationskanal. Beispielhaft informiert Facebook über die Erweiterung der Kanäle (Verweis auf Foursquare mit Badge, Handy-Textinfo-Service, Android/iPhone Live Stream) und Neuheiten (Merchandise zur Kundgebung). Auf Twitter fehlen die Informationen.

Ein Risiko für Events kann sich aus Fansites und Veranstaltungen entwickeln. Denn kaum wird ein Event angekündigt, erstellen Nutzer es selbst. Anstatt einer Veranstaltung, fanden sich auf  Facebook bis vor wenigen Tagen über zwanzig Veranstaltungen in Washington. Teilnehmer erkennen kaum, welches Event zum offiziellen Veranstalter gehört. Die Daily Show reagiert in der Kommunikation darauf, indem sie die Veranstaltung auf die offizielle Facebook-Fansite als Unterseite einbindet. Die Veranstaltung ordnet sich der offiziellen Seite unter, die den Inhalt als offiziell verifiziert. Demnach sollte ein Event nicht leer auf Facebook irren, sondern über die offizielle (Facebook-)Seite direkt verlinkt werden. Das verhindert Irritation bei Nutzern und Teilnehmern.

Event auf Facebook

MeetUp zur Selbstorganisation

MeetUp

Über die Plattform MeetUp organisieren sich Teilnehmer selbst. Sie vernetzen sich lokal, suchen den Kontakt und planen Events. Außerhalb von Washington D.C., wo die Kundgebung geplant ist, findet sie in Hunderten weiteren Städten statt – oder ist zumindest geplant. Die Teilnehmerzahl variiert von zwei bis knapp einhundert Teilnehmern. Über Facebook organisieren sich 800 Teilnehmer für eine Kundgebung in Chicago. Das Internet bietet die Plattform für Selbstorganisation. Einzelne Nutzer vernetzen sich selbständig, organisieren sich in Communities und wirken an einem gemeinsamen Ziel. Die PR sollte die Kanäle der Stakeholder kennen und sie beobachten. Verweise auf offiziellen Websites zu den Kanälen helfen. Sie senken die Hürde und Nutzer steigen leichter in Kanäle ein. Es erhöht die Bereitschaft, sich mit neuen Inhalten auseinander zu setzen.

Daily Show

Wichtig scheint mit der Veranstaltung vor allem die Zuschauer der Daily Show zu erreichen, um aus einer bestehenden Community mit ähnlicher Demografie und ähnlichen politischen Zielen zu schöpfen. Die Daily Show-Website verlinkt im ersten Screen auf die Veranstaltungsseite. Nutzer erhalten dadurch leichten Zugang zur Kampagne-Seite und den Kanälen der Social-Media-Kommunikation.

Über Social Media  (aber auch andere mediale Berichterstattung) mobilisieren Unterstützer der Kundgebung weitere Teilnehmer. Zwar kam der Startschuss aus dem klassischen Medium Fernsehen. Beobachtet man aber die Kommunikation im (Social) Web, könnte man den Eindruck gewinnen, als habe sich die Kundgebung verselbstständigt und sich zur grassroots Movement gewandelt. Ein Baustein dafür: Die Kommunikation im Social Web.

  1. Sebastian Rudolph

    Kleiner Nachtrag:

    Kurzfristig wurde am Freitag auch Flickr in die Kommunikation integriert. Bilder mit der Verschlagwortung „sanityandorfear“ fließen auf den Foto-Stream auf die Website ein (http://www.rallytorestoresanity.com/photos/).

    Comedy Central hat die Kundgebung als Internet-Stream angeboten. Ohne Ruckler, ohne Überlastung: Und das alles in HD und live von der National Mall. Vorbildlich!

    Eine iPhone und Android Anwendung (Fear of Sanity App) hat die Social-Media-Kanäle auch noch einmal für das Handy gebündelt. Darüber konnten Nutzer den Twitter-Stream und Flickr-Stream verfolgen. Der Zugang zu den Kanälen war für die Anwesenden einfach. Wohl auch deswegen wurden die Kanäle intensiv mit Inhalten gefüllt.

    Die Foursquare-Applikation auf der Seite zeigte in Echtzeit, wie viele Leute für die Rally eincheckten.

    Die gesamte Social-Media-Kommunikation hat ein Gemeinschaftserlebnis geschaffen.

    Inhaltlich bleibt mir wohl die Abschlussrede von Jon Stewart in Erinnerung. Besonders ein Satz:

    „The press is our immune system. If it overreacts to everything, we actually get sicker.“ Jon Stewart

    Die ganze Rede mit Transcript gibt es hier: http://www.examiner.com/political-buzz-in-national/video-and-transcript-of-jon-stewart-s-closing-speech-at-rally-to-restore-sanity

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