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Pressesprecherin in geheimer Mission

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Im aktuellen Spiegel steht eine kleine Geschichte, wie sie bestimmt jeden Tag passiert, aber normalerweise nie an die Öffentlichkeit gerät. Es ist die Geschichte einer übereifrigen Pressesprecherin und einer ahnungslosen Chefredakteurin.

Reisereportagen sind immer ein dankbares Thema für die Printmedien. Exotische Orte, interessante Menschen und viel Urlaubsgefühl: Das alles gefällt den Lesern und verkauft Zeitschriften. Auch die Frauenzeitschrift PETRA hat Reisereportagen im Programm. Und so ist es auf den ersten Blick auch nichts Ungewöhnliches, dass die PETRA eine „Mitarbeitern“ namens Swantje K. auf die Bahamas schickte, um eine Reisereportage für die Zeitschrift zu schreiben. Interessant wird es aber, wenn man die Haupttätigkeit von Swantje K. kennt: Pressesprecherin des deutschen Tourismusbüros der Bahamas.

Wen wundert es da, dass Frau K. die Bahamas in ihrem Bericht als „Traum“ und „Paradies“ lobt. Schließlich will man es seinem Arbeitgeber ja recht machen. Etwas frecher ist da schon die Behauptung der Autorin „viel wisse sie nicht über die Inselgruppe südöstlich von Florida.“ Entweder sie ist einfach nur unglaublich schlecht in ihrem Beruf oder sie wollte wenigstens den Schein der Objektivität wahren. Ich glaube, wir müssen nicht lange rätseln, was hier mehr zutrifft.

Für die Chefredakteurin der PETRA, Ulrike Fischer ist die Angelegenheit „ein Riesenfehler, der nicht hätte passieren dürfen.“ Die geplante Autorin sei kurzfristig ausgefallen, deshalb habe man unter den Mitreisenden der Pressereise auf die Bahamas einen Ersatz gesucht. Was für ein Zufall, dass sie dabei ausgerechnet die Pressesprecherin erwischt haben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

War das jetzt alles nur ein dummer Zufall oder läuft die Zusammenarbeit der PETRA mit der PR-Branche wirklich so stümperhaft ab, dass man sich nicht mal die Mühe macht, ein Synonym für die angeblich objektive Autorin zu finden?

Als Außenstehender kann man nur schlecht beurteilen, ob eine solche Vorgehensweise schon gang und gebe ist. Wenn man aber sieht, wie überschwänglich die meisten Reisereportagen geschrieben sind, dann kann man schon ins Grübeln kommen, ob Alles mit rechten Dingen zugeht.

Am Ende dieser kleinen Geschichte stehen eine bloßgestellte Chefredakteurin und eine übereifrige Pressesprecherin, die sich beim nächsten Mal wohl ein Pseudonym zulegen wird. Die gefoppten Leser werden von diesem kleinen Missgeschick wahrscheinlich nie etwas erfahren. Und morgen geht dann alles wieder seinen gewohnten Gang.

Wen die ganze Geschichte interessiert, der kann sie im Spiegel Nr. 48/2005 auf Seite 197 nachlesen.

Nachtrag vom 1. Dezember 2005:
Den Artikel gibt es jetzt auch auf Spiegel Online

  1. […] Da hat die Chefredakteurin der Frauenzeitschrift “Petra” wohl ein bisschen zu lang in der Sonne gelegen. Oder sie hat sich einfach blenden lassen. Andere naheliegende Wortspiele kämen bestimmt auch noch zum Zug, wenn ich mich noch weiter mit dem Einstieg des Kurztextes beschäftigen würde. Doch es geht darum: Die Petra hat eine Pressesprecherin einen Artikel schreiben lassen und, nachdem es aufgeflogen ist, von überhaupt gar gar nichts gewusst. Dabei hätte die PR-Frau des Bahamas-Tourismusverbandes meiner Meinung nach als Expertin für einen solchen Artikel durchaus zur Verfügung stehen können. Allein: Das zu verschleiern – oder auch nur den Verdacht aufkommen zu lassen – ist das Problem. Das sollte auch der “Petra” klar sein. Und auch dieser Einschätzung schließe ich mich an. […]

  2. juliaj

    An diesem Beispiel kann man mal wieder sehen, dass es umso schwieriger wird in kein Fettnäpfchen zu treten je mehr man lügt und versucht Tatsachen zu vertuschen. Vielleicht sollte sich auch die PR mehr auf Ehrlichkeit besinnen, das ist im Endeffekt effektiver.

    Ethik in der PR? – http://www.prethik.de

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