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PR zwischen Taliban und Tornados- Erfahrungen aus Afghanistan

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Mail aus Kabul: Unser Absolvent Max Henninger, der seit einigen Monaten als Mitarbeiter des Deutschen Entwicklungsdienstes in Afghanistan arbeitet, hat netterweise ein paar Eindrücke zur Öffentlichkeitsarbeit dort zusammengefasst.

Von Max Henninger, Kabul:

„Wir arbeiten hier nicht auf dem hohen Standard, den man vielleicht aus Deutschland gewohnt ist“, sagt Florian Weigand, Pressesprecher des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) in Afghanistan. Öffentlichkeitsarbeit gelte hier oft noch als „Flyer drucken lassen“. Schlagworte wie Kommunikationsstrategie, PR-Konzept oder Maßnahmenkatalog sind gänzlich unbekannt. Und das nicht nur bei den einheimischen Nichtregierungs- (NGO) und Regierungsorganisationen (GO). Auch manch internationale Organisation darf sich hier einreihen.

Es muss allerdings unterschieden werden: Während die afghanischen NGOs (noch) nichts von Öffentlichkeitsarbeit wissen, verfügen die Internationalen zumeist über eine funktionierende PR-Maschinerie außerhalb des Landes. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, muss doch für die internationalen Geber (Donor) größtmögliche Transparenz hinsichtlich der Mittelverwendung geschaffen werden. Dass dabei der eigentlich ebenso wichtige Part, die Öffentlichkeitsarbeit in Afghanistan nämlich, komplett übergangen wird, scheint die wenigsten zu berühren.

„Mit der Haltung der Bevölkerung uns gegenüber steht und fällt unser Engagement“, verdeutlicht Weigand das existierende Problem. „Die Afghanen wissen einfach nicht, was wir hier tun.“
Damit trifft er den Nagel auf den Kopf: Fragt man einen Afghanen auf der Straße, was er denn von dieser oder jener Organisation wisse, erhält man entweder keine Antwort oder mit Sicherheit diese: „Die fahren doch in den weißen, gepanzerten Jeeps durch die Stadt.“ Übrigens das übliche Transportmittel vieler Organisationen. So weit das Bild der internationalen Dienste in der afghanischen Normalbevölkerung.

Dabei ist es gerade in Afghanistan vonnöten, soviel Verständnis und Interesse wie möglich für die Projekte und Arbeit der EO bei der Bevölkerung zu schaffen. Das ist letztendlich auch eine ganz simple Frage der eigenen Sicherheit vor Ort. Genau hier setzt deshalb die Öffentlichkeitsarbeit an: In Gesprächen mit Maliks (Ortsvorsteher), Imamen (Vorbeter)und religiösen Führern muss versucht werden, eine positive Grundhaltung dieser Multiplikatoren den Projekten der EZ gegenüber zu erzeugen. Denn so kann einerseits gewährleistet werden, dass die Projekte überhaupt von Bestand sind, und andererseits, dass die Arbeit der EO viral und positiv durch die Multiplikatoren kommuniziert wird. „Eigentlich läuft hier alles über stundenlanges Teetrinken“, so Weigand. Lobbyarbeit auf „Grassrootlevel“.

Ein weiterer wichtiger Faktor dieser Lobbyarbeit ist die Abgrenzung zum Militär, die mitnichten einfach ist. „Zivil-Militärische-Kooperation“ und „Provincial Reconstruction Team“ sind Maßnahmen der ISAF mit Entwicklungsansätzen. Diese Teams suchen natürlich die Nähe zu EOs, um damit ihren Zugang zur Bevölkerung zu vereinfachen. Doch gleichzeitig steigt die Gefahr, dass EO und Militär bei der Bevölkerung in einen Topf gesteckt werden. Und daraus resultiert wiederum ein unkalkulierbares Risiko für die zivilen Helfer. Deshalb ist eine klare Abgrenzung notwendig.

In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wurde die Notwendigkeit dieser Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit erkannt. Speziell der Deutsche Entwicklungsdienst (DED), die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) haben ihre PR den neuen Anforderungen angepasst. Dazu gehört auch der Schulterschluss unter den Organisationen, um eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit voranzutreiben. Nachdem DED und GTZ ein Strategiepapier zur Öffentlichkeitsarbeit der deutschen EZ in Afghanistan verfasst haben, wird dieses seit Anfang Mai in die Tat umgesetzt. Sämtliche PR-Maßnahmen werden nun von einem Team geplant, koordiniert und umgesetzt.

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  2. Jens Dörr

    PR-Abteilungen von NGOs, die das vertrauenserweckendste Mittel, nämlich das direkte Gespräch, nicht nutzen – das gibt zu denken!
    Liegt es vielleicht an den Sprachbarrieren, an der Angst nach draußen zu gehen? Oder gibt es einfach nur Strukturdefizite – üBerlastung durch andere, teils PR-fremde Arbeiten etwa? Das wäre bei den NGOs aufzuarbeiten…

  3. Spannende Frage. In diesem Zusammenhang wäre auch das Selbstverständnis interessant: Wird das persönliche Gespräch womöglich nicht als professionelles Handeln wahrgenommen? Schließlich kann ja jeder reden…

    Und: Wie steht es mit interkulturellen Hürden? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es selbst innerhalb Europas für Journalisten bzw. PR-Leute nicht immer einfach ist, in einem anderen Land mit Vertretern von Institutionen oder mit Privatpersonen eine vernünftige Kommunikationsebene herzustellen – da spielen neben Vertrauen auch viele ungeschriebene Regeln eine Rolle.

  4. Max Henninger

    Nachtrag: Interkulturelle Hürden sind gerade in Afghanistan ein großes Problem. Ohne das notwendige Feingefühl kann ein Gespräch schon bei der Begrüßung scheitern. Deswegen ist es fast logisch, sich in der PR einheimischer Fachkräfte zu bedienen, die beispielsweise Rückkehrer sind und im Ausland studiert haben.

  5. Carolin Fischer

    Hallo Max,
    Deinen Beitrag fand ich hochinteressant. Bin ebenfalls Absolventin einer anerkannten deutschen PR-Ausbildung und werde ab demnächst PR-Arbeit im süd-östlichen Afrika machen. Ich stehe vor der Herausforderung, die mir bekannten PR-Instrumentarien in einem Land anzuwenden (Mozambique) wo nicht nur die technischen Möglichkeiten sondern auch die Lebensauffassung und eine andere Kommunikationskultur eine Anpassung der PR-Arbeit nötig machen. Hast Du Dich mit anderen Kommunikationsarbeitern in anderen Ländern ausgetauscht, wüsstest Du wo man Erfahrungen nachlesen kann in diesem Bereich?
    Lieben Dank, Carolin

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