Wie viel Geld kostet Aufmerksamkeit? McDonald’s hat mit seiner aktuellen Kampagne bewiesen: offenbar nicht viel. Unser Eindruck: PR-Kampagnen bedienen sich zunehmend fragwürdiger Methoden. Seit heute Morgen kann man dies beispielsweise auf der Webpräsenz der Fastfood-Kette McDonald’s Deutschland beobachten. Diese sowie viele aufeinander abgestimmte Social-Media-Kanäle des Unternehmens wurden im Zuge dieser neuesten Kampagne radikal verändert.

Auf schwarzem Hintergrund drohen vermeintliche Hacker in weißer Schrift mit der Aufdeckung der “Wahrheit” über McDonald’s Deutschland. Sie nennen sich P.V.U.I., was für den “Professionellen Verband der Untergrund-Idealisten” stehen soll. Das McDonald’s Deutschland Kommunikations-Netz aus Posts, Tweets und Websites mit Influencern verdichtet sich minütlich.

Posts der P.V.U.I. auf Twitter wie “Die Schweine von McDonald’s packen echtes Rindfleisch in Ihre Bürger!” oder „P.V.U.I. sagt: Die Wutburger sind da!” lassen eher auf einen PR-Coup des Unternehmens als auf eine echte Untergrundorganisation schließen. Doch was soll das bringen?
Wir PR-Studenten haben den Fall gleich intensiv diskutiert. Daher folgen jetzt ein paar Impulse aus fünf verschiedenen Blickwinkeln.
1. Aufmerksamkeit um jeden Preis
McDonald’s suggeriert, sie würden angegriffen werden.
Doch was ist das eigentliche Ziel der Kampagne? Ein langfristiger Imagewechsel? Ein Produkt bewerben? Opel in ihrer “Opel-goes-Grumpy-Kampagne” nacheifern? Oder ist es doch nur ein kurzfristiges Buhlen um Aufmerksamkeit?
Wir finden das fragwürdig: Hier werden Fake-News als Kommunikationsmittel eingesetzt. Ganz nach dem Motto “auch schlechte PR ist gute PR” wird sich die Kampagne sicherlich weiter verbreiten. Wie die Aktion aufgefasst wird, hängt am Ende stark von der Medienkompetenz der Rezipienten ab. Die für erfahrene Internetnutzer eindeutige Marketingkampagne bleibt für andere wohl undurchsichtig.
2. Selbstenthüllung
McDonald’s Deutschland kennt sein eigenes Image: Ungesund, schlechte Qualität, unethische Massentierhaltung – das sind die üblichen Klischees. Und die Liste der Vorwürfe ist lang. Diese greift McDonald’s nun auf. Mit vermeintlich geistreichen Sprüchen versuchen sie, mit den Vorurteilen aufzuräumen. Dabei verstecken sie sich hinter einer selbst konstituierten Untergrundorganisation, die trotzdem nur die “ganze halbe Wahrheit über Mc Donalds” aufdeckt. “Wir enthüllen uns selbst” ist grundsätzlich gesehen ja gar kein schlechter Ansatz. Dann aber doch bitte lieber die ganze Wahrheit über die Lebensmittel, als die ständige Betonung der Halbwahrheiten, die noch unglaubwürdiger wirken. Ob dies als effektiv – und vor allem glaubwürdig – bezeichnet werden kann, sei einmal dahingestellt.
https://www.youtube.com/watch?v=PkB3LqSfJso
3. Spiel mit der Angst?
Hackerangriffe sind ein beliebtes Thema in der Medienlandschaft. Von diesem Thema geht eine gewisse Faszination aus. Auch Aktivismus ist heutzutage “in” und cool. McDonald’s Deutschland kann sich diesem Trend wohl nicht entziehen. Wir finden: Hacktivism und damit zivilgesellschaftliches Engagement für plattes Marketing zurecht zu biegen, ist ziemlich unpassend.
4. Stimmungsbild auf Twitter
Von wenigen Tweets unter dem Hashtag #pvuikenntdiewahrheit sind nur drei nicht werblich – eine schlechte Bilanz. McDonald’s Deutschland schafft es nicht, eine Welle an Tweets auszulösen, unter der die bezahlten Tweets untergehen würden. Influencer twittern unter dem Hashtag und drücken ihr Erstaunen aus. Aber ernsthaft: Hier wird mit Fake-News gespielt und dann braucht es noch den Push bezahlter Tweets? Die verlieren natürlich an Wirkung, da sie mit #werbung und #anzeige getaggt sind. Hier spielt die Gesetzgebung McDonald’s Deutschland leider nicht in die Karten und erzeugt ein nicht ernstzunehmendes Bild vom Hackerangriff.
Auch die Antwort von McDonald’s auf unseren Tweet lässt viele Fragen offen.
5. Gespielte Unfähigkeit zu Kommunizieren
Die Unfähigkeit zu Kommunizieren ist nötig, damit sinnvoll auf bezahlte Werbepartnerschaften – sprich Influencer – zurückgegriffen werden kann. Insofern können wir zumindest strategische PR-Planung und Instrumenten-Palette als nahrhaft und abwechslungsreich bezeichnen.




Und danke für die Warnung vor einem halben Jahr, McDonald’s! Wir glauben zum Glück nicht alles, was im Internet steht.
“Pvui”, ist das verwerflich?
Update vom 15.11.2017:
Nachhaltigkeit ist nicht nur bei Burgern ein Problem. Wir fragen uns, was der letztendliche Sinn hinter diesem Höhepunkt der Kampagne war. Diese startete schon Anfang des Jahres und spielte mit den Mythen und Halbwahrheiten um den Konzern. Der suggerierte Hack diente als Aufmerksamkeitsmagnet, um die Zuschauer für den abends stattfindenden Livestream zu generieren, der zur Aufdeckung der “Wahrheit” dienen sollte.
Die Schwierigkeit: Auf uns wirkte dies als reine Selbstbeweihräucherung und nicht, um einen ernsthaften Umgang mit Problemen und Vorurteilen darzustellen. Die Szenerie wirkte zu gestellt und die Realität bis hin zur Lächerlichkeit verzerrt. Zudem stellt sich die Frage, was der letztendliche Mehrwert dieses Livestreams ist. Die gezeigten Informationen sind nicht unbekannt – nur neu verpackt – und das noch von Managern des Burgerriesen. Wir erinnern uns: Das Script begann mit einem gefakten Hackerangriff. Den Bogen zwischen diesen Akteuren verstehen wir nicht wirklich.
Ob diese Kampagne nun schlussendlich den gewünschten Erfolg für McDonald’s Deutschland bringt, wird sich noch zeigen und ist von außen kaum zu beurteilen. Was bis dato aber für uns im Vordergrund steht, ist eine fragwürdige Kommunikationsstrategie, die auf Fake News und Halbwahrheiten basiert.
Ach ja: Als zusätzlichen Tritt in das Fettnäpfchen startete McDonald’s seine Kampagne ausgerechnet am Weltdiabetestag.