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Lernen von einem Praktiker: Andreas Graf Bernstorff zu Besuch an der h_da

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Auf dem Lehrplan der Viertsemester mit Schwerpunkt PR steht dieses Jahr: Kampagnen für Non-Profit-Organisationen. Das Seminar soll auf nicht-kommerzielle PR-Praxis vorbereiten. Was wäre da naheliegender, als von einem Praktiker zu lernen, der selbst solche Kampagnen initiiert und durchgeführt hat? Andreas Graf von Bernstorff war diese Woche zu Besuch an der Hochschule Darmstadt. Im Rahmen des PR-Seminares hat der ehemalige Kampagnen-Koordinator von Greenpeace über seine Erfahrungen gesprochen und uns gezeigt, wie eine Kampagne geplant werden kann.

„Eine Kampagne funktioniert nicht ohne Strategie“, sagt Bernstorff. Dabei gelte: gut geplant, ist halb gewonnen. Der Plan müsse während der Kampagne jedoch stets veränderbar sein. Doch wie strategische Kommunikation tatsächlich aussehen kann, lernte Bernstorff erst nach und nach auf seinem Lebensweg, der ebenso vielfältig ist wie seine Kampagnen.

Vom Lehrer führte ihn dieser Weg zum Journalisten, dann in die Politik und schließlich zu Greenpeace. „Mit der Kampagnenarbeit habe ich eigentlich bei den Grünen angefangen“, sagt Bernstorff. In Form einer Informationskampagne klärte er damals die Menschen über die Atom-Katastrophe in Tschernobyl und deren Folgen auf. Auch die Wahlkämpfe, die Bernstorff während dieser Zeit betreute und die seinen vollen Einsatz verlangten, schulten ihn für seine weiteren Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit.

Kommunikation funktioniert über den öffentlichen Auftritt“

Als er 1989 zu Greenpeace kam, lernte er dann, wie entscheidend Bilder für die Öffentlichkeit sind. Und wie intensiv man an guten Slogans und kräftigen Texten arbeiten muss, die auch die mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Bevor ich nicht weiß, was die Medien der Öffentlichkeit präsentieren sollen, kann ich nicht mit der Arbeit anfangen“, sagt Bernstorff. Die Kommunikation laufe heutzutage über Bilder und Symbole und den öffentlichen Auftritt. Ein Slogan sollte vor allem kurz sein – nicht länger als vier bis fünf Wörter.

Letzteres berücksichtigte er auch bei der internationalen Kampagne gegen Giftmüllexporte in arme Länder. „Aus für Müllschieber“ titelte Greenpeace unter Bernstorff auf einem Plakat in Rumänien. Dort lagerte unter anderem deutscher Giftmüll, der Umwelt- und Gesundheitsschäden vor Ort anrichtete. Das war 1992. Greenpeace handelte damals stellvertretend für die Verantwortlichen und karrte einige der Müllfässer zurück nach Deutschland. Durch solche Aktionen brachte Greenpeace eine neue Direktheit in die Umweltdiskussion. „Das ist eine gute Möglichkeit, die gewollte Botschaft weit zu verbreiten und die Öffentlichkeit aufzurütteln“, meint Bernstorff.

Eine Kampagne als politisches Gesellschaftsspiel

Aufsehen erregte Greenpeace auch mit Hilfe von sogenannten „subversiven Aktionen“, die ganz unerwartet kommen und die bestehende Ordnung in Frage stellen. „Da muss man auch schon mal in Kauf nehmen, dass man ordnungswidrig handelt“, so Bernstorff. Ziviler Ungehorsam wie Hausfriedensbruch, das komme schon mal vor. Aber es dient ja dem guten Zweck. So beschafften sich Bernstorff und weitere Greenpeace-Aktivisten im Zuge von Anti-Atomkraft-Aktionen gefälschte Passierscheine, um auf ein Firmengelände zu gelangen. Fairerweise enthielten diese Scheine den Vermerk: “Dieses Dokument berechtigt nicht zum Betreten dieses Geländes“. Den Gegnern wird somit immer eine Chance gelassen. Dadurch bekommt das Ganze auch etwas Spielerisches. Nicht umsonst spricht Bernstorff bei einigen seiner Kampagnen von „politischen Gesellschaftsspielen auf höhere Ebene“ – also alles andere als eine bitterernste Angelegenheit. So kann der Gegner auch zum Mitspieler werden.

Das geschah beispielsweise auch bei der Giftmüllaktion in Rumänien. Um der Kampagne ein Gesicht zu geben, wählte Greenpeace den damaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer als Gegenspieler aus. Ihm wurde damit sozusagen eine Rolle zugeschoben, denn formell war er nicht für den Giftmüll verantwortlich. Jedoch machte es in diesem Fall durchaus Sinn den Bundesumweltminister anzusprechen, da dieser nah genug am Entscheidungsprozess war. Am Ende hieß es dann also „Bernstorff gegen Töpfer“. Diese Art von Zweikampf funktioniere allerdings nur für öffentliche Auseinandersetzungen, sagt Bernstorff, denn „in organisations- oder unternehmensinternen Prozessen darf man niemals eine Person angreifen, sondern man muss einen Missstand oder Mangel benennen“.

Kooperation statt Konfrontation

Bernstorff weist auch darauf hin, dass eine Kampagne nicht immer auf Konfrontation hinauslaufen muss. Vor allem sollte es nie soweit gehen, dass der Gegenspieler sein Gesicht verliert. „Auch eine Organisation wie Greenpeace setzt sehr häufig eher auf Kooperation“, so Bernstorff. Aufgrund einer funktionsfähigen Kooperation und dem guten Zusammenspiel mit Töpfer und der Politik allgemein, konnte Greenpeace nach der Giftmüllaktion in Rumänien letztendlich wohl auch einen Erfolg verbuchen. „Wir haben bei den Vereinten Nationen erreicht, dass der Export von Giftmüll aus reichen in ärmere Länder verboten wurde“, sagt Bernstorff, „das ist das Höchste, das man erreichen kann, so etwas im Völkerrecht zu verankern“.

Auch seitdem er Greenpeace 2005 verlassen hat, ist Andreas Graf Bernstorff noch sehr aktiv. Neben diversen Dozententätigkeiten ist er mit seinem Unternehmen Bernstorff-Campaigning als Berater tätig und entwickelt weiterhin Kampagnen. Dabei sind es immer noch Themen wie Menschenrechte, Umweltschutz und Gesundheit, die ihm besonders am Herzen liegen. Bei seiner Arbeit beruft er sich nach wie vor auf den Grundsatz, den Greenpeace einst von den nordamerikanischen Quakern übernommen hat: „Wenn du Unrecht siehst, geh hin und lege Zeugnis ab.“