Die Digitalisierung treibt Veränderungen rasant und unaufhaltsam voran. Neue Tools und Kommunikationsplattformen haben natürlich auch die tägliche Arbeit von Kommunikationsprofis stark verändert. Wer früher vor der Arbeit noch die Zeitung aufschlug, schaut heute bei Twitter und Co. nach den neuesten Meldungen.
Während unseres Studiums nutzen wir die aktuellen Plattformen wie Slack, Facebook, Twitter oder Instagram, um uns intern und mit Kommunikationsprofis zu vernetzen und von ihnen zu lernen. Welche Themen sind relevant und bei welchen Diskussionen haben wir vielleicht ganz ähnliche Meinungen oder können unser Wissen erweitern? Eine Welt ohne diesen digitalen Austausch ist heute kaum noch vorstellbar. Schon in den dreieinhalb Studienjahren kann sich jedoch viel verändern. Niemand weiß heute, wie sich die Kommunikation und die Nutzung der Plattformen verändern. Solche Veränderungen sind unaufhaltsam. Je mehr technisch möglich ist, desto mehr wird auch genutzt. Doch wie schaffen es die dann ehemaligen Studierenden, also die Kommunikationspraktiker, auch nach dem Studium, beziehungsweise während des ganzen Lebens, weiterhin up-to-date zu bleiben und den Wandel nicht zu verschlafen?
Pia Sue Helferich beschäftigte sich in Ihrer Ph.D.-Thesis mit diesem Thema. Sie stellte sich die Frage, wie Kommunikationsprofis lebenslang lernen und wie sie mit den Veränderungen durch die Digitalisierung täglich umgehen. In ihrer Arbeit erstellte sie auf der Grundlage ihrer Forschungsergebnisse ein Modell für das lebenslange Lernen von Kommunikationsprofis in Agenturen und ging dabei besonders auf die praktische Anwendung und die Strategien, die dahinter stecken, ein.
Bei der Science-Wednesday-Reihe am Mediencampus der Hochschule Darmstadt stellte sie uns “Onkommlern” und anderen Studierenden ihre Arbeit und den Weg zu ihren Ergebnissen vor. Sie erklärte uns, dass Kommunikationsagenturen einen Wissensvorsprung benötigen, um ihre Tätigkeit ausüben zu können und stellte die Frage, wie man bei den vielen Veränderungen fachlich fit bleiben solle? In ihrer Studie erkannte sie, dass gerade das informelle Lernen abseits von Seminaren hier ein wichtiger Faktor sei.
Wir nutzten die Chance, sie nach ihrem Vortrag nochmal auf die für uns relevantesten Fragen genauer anzusprechen:

Wie sind Sie darauf gekommen, das Thema lebenslanges Lernen von PR-Profis zu untersuchen?
“Das liegt in meinem Werdegang begründet. Ich habe Onlinejournalismus mit Schwerpunkt PR studiert, das ist schon eine Weile her und war dann ab 2005 in verschiedenen Unternehmen in der Kommunikation tätig. Berufsbegleitend hab ich einen Master in Educational Media gemacht und dann noch einige Zeit in der Weiterbildung gearbeitet. Da hat es sich angeboten, im Rahmen meiner Promotion die beiden Bereiche zu verbinden. Für mich war das perfekt, weil ich mich nicht zwischen den Themen Lernen und Kommunikation entscheiden musste, sondern beides seinen Platz in meiner Arbeit gefunden hat.”
Sie sprachen in Ihrem Vortrag davon, dass Agenturleute so genannte Networks of Practice bilden, um sich beruflich weiter zu entwickeln. Was ist das genau – und worauf kommt es dabei an?
“Meine Untersuchung hat gezeigt, dass sich alle Aktivitäten die Agenturleute durchführen, um sich thematisch fit zu halten, immer in Verbindung mit anderen Personen stehen. Sei es über soziale Netzwerke, seien es die Kollegen am Nachbartisch oder ein Verein oder Veranstaltungen. Die Summe dieser Kontakte habe ich als das Personal Network of Practice eines jeden einzelnen bezeichnet. Das leitet sich aus der Forschung zu Communities und Networks of Practice ab. Der Unterschied ist aber, dass in dem von mir beschriebenen Netzwerk der Bezugspunkt immer die Person selbst ist, aus diesem Grund habe ich das Personal ergänzt. Das ist abgeleitet von Berry Wellman, der viel im Bereich “Networked individualism” und “Personal Networks” geforscht hat.”
Wo liegen die Schwierigkeiten beim lebenslangen Lernen für Mitarbeiter und ihre Arbeitgeber, die Agenturen?
“Eine große Hürde ist oft die Zeit. Mitarbeiter und Führungskräfte sind stark ins Tagesgeschäft involviert. Da bleibt oft keine Zeit zum Lernen. Und selbst wenn -die Form vom Lernen, die ich beschrieben habe, passiert nicht auf Knopfdruck, man braucht Zeit und auch Muse dafür. Viele Unternehmen und auch Agenturen räumen ihren Mitarbeitern diesen Raum nicht ein. Eine weitere Schwierigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge ändern. Das erfordert eine ständige Anpassung, für die eigentlich auch wieder keine Zeit ist. Ich denke, Lernen muss viel stärker in die DNA eines jeden Unternehmens integriert werden und auch als Arbeitszeit akzeptiert werden.”
Gibt es einen Vorschlag, wie PR-Leute am besten lebenslang lernen können?
“Das Personal Network of Practice ist sehr individuell und orientiert sich auch an den Vorlieben und Abneigungen eines jeden Einzelnen. Ich kann empfehlen, immer die Augen offen zu halten und sich mit Kollegen und Externen auszutauschen. Dabei schnappt man oft Dinge auf, die man dann später vertieft oder näher betrachten kann. Weiterhin ist Neugier wichtig. Dabei entdeckt man immer neue Dinge, sehr oft natürlich auch online. Insbesondere in Agenturen ist es wichtig, den Kunden einen Schritt voraus zu sein.”
Wie können Agenturen ihre Mitarbeiter beim informellen Lernen unterstützen?
“Sie können ihnen Freiräume und Zeit geben. Neue Ideen, Innovationen und Lernen funktionieren mit Zeit. Ebenso können sie Orte schaffen, an denen sich Mitarbeiter gerne zusammensetzen und sich austauschen, das kann auch beim Lernen helfen. Lernen sollte auch vom Arbeitgeber als Arbeitszeit anerkannt werden und dabei meine ich nicht nur das Zwei-Tage Seminar, sondern gerade auch den informellen Austausch, der keinen direkten Output hat, aber mittelfristig eine neue Idee auf den Weg bringt.”
Gibt es überraschende Erkenntnisse aus Ihren Untersuchungen?
“Also wirklich überrascht hat mich, dass das informelle Lernen fast ausschließlich über Personen stattfindet, das sind Social-Media-Kontakte, Kollegen etc. – also zumindestens in meiner Untersuchung. Da war das soziale Lernen der Schwerpunkt. Das hatte ich nicht so stark erwartet. Formale Weiterbildungen spielen nur eine geringe Rolle bei den befragten PR-Profis.”
Welchen konkreten Tipp können Sie PR-Studierenden und Berufseinsteigern für lebenslanges Lernen geben?
“Neugierig bleiben, sich frühzeitig mit interessanten Leuten vernetzen und auch den Kontakt zu den anderen Studierenden nicht verlieren. Denn auch die ehemaligen Kommilitonen, die andere Erfahrungen im Berufsleben machen, haben bestimmt mal den einen oder anderen interessanten Lernimpuls. Weiterhin würde ich empfehlen, Dinge zu tun, die Spaß machen. Klar, nicht jeder Job macht nur Spaß, aber das Studium bietet Ihnen die Möglichkeit herauszufinden, woran sie Freude haben und ich würde sagen, dass 70 Prozent am Job einem in der Zukunft Freude machen sollten, denn dann lernt es sich auch lebenslang leichter.”
TL;DR
Pia Sue Helferich entwickelte in Ihrer Ph.D.-Thesis ein Modell des lebenslangen Lernens für Kommunikationsexperten. Abseits von Seminaren und im Austausch mit anderen zu lernen scheint demnach ein großer Faktor zu sein. Eins ist somit sicher: Das eigene Netzwerk kontinuierlich weiterzuentwickeln, ist der erste Schritt in die richtige Richtung.