Die Bewältigung von Krisen ist in der Unternehmenskommunikation eine große Herausforderung. Dies bedarf besonderer Kompetenzen. Manchmal sendet eine Krise Vorboten, manchmal ist sie vermeidbar und manchmal ist sie ad-hoc da. Mit dem Wissen und den Fähigkeiten, die eine gute Krisenkommunikation ausmachen, haben sich Studierende der Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt in diesem Semester beschäftigt.
Die Krise als “Interruption des Normalzustandes” (so eine wissenschaftliche Definition) ist oft eine Bedrohung für ein Unternehmen. Sie kann sich negativ auf die Reputation, die Wahrnehmung bei den Stakeholdern und auch die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens auswirken. Die Angst vor einer Krise ist bei vielen Unternehmen sehr verbreitet. Aber warum ist das so? Liegt es an der mangelnden Erfahrung mit Krisen oder fehlt es ihnen an Schulungen im Umgang mit Krisen?
Wir üben uns als Krisenkommunikatoren
In der Krise die Kommunikation zu übernehmen, ist eine herausfordernde Aufgabe, der wir uns in diesem Semester gestellt haben. Wir wollten die Rolle des Krisenkommunikators erleben und lernen wie man eine Krise erfolgreich bewältigen kann. Aus diesem Grund haben wir in unserem Kurs eine Krisensimulation unter der Anleitung von Sebastian Riedel, unter anderem Krisentrainer bei der Frankfurter Agentur Klenk & Hoursch, durchgeführt. Zuvor hatten wir ein Semester lang die Grundlagen der Krisenkommunikation erlernt – angefangen von wissenschaftlichen Studien und Ansätzen bis hin zu konkreten Strategien und Werkzeugen.
Es folgte die Krisensimulation: „Am Freitag um 9:00 Uhr ist Krise!“ Wenn das im echten Unternehmensalltag nur immer so vorhersehbar und planbar wäre. Aber wie bereiten wir uns vor? Das Szenario war unbekannt. Bekannt war aber das prototypische Unternehmen, das die Krise treffen würde. Also auf alle Eventualitäten vorbereiten. Zu Beginn der Krise waren wir natürlich bestens vorbereitet und hatten vorgeschriebene Holdingstatements, Pressemitteilungen und vieles mehr in der Hinterhand.

Als die ersten Tweets auf unserem Medientrainer erschienen und die ersten kritischen Anrufe eingingen, wurden wir dann doch ziemlich nervös. Wir haben festgestellt, dass uns das Tempo und die Multimedialität doch sehr unter Druck gesetzt haben. Wir mussten in unserer Simulation Social Media, das Intranet, Journalistenanfragen und Mitarbeiterrückfragen bedienen. Ganz wie im echten Leben, zum Glück allerdings war unsere erste Krise auf nur zwei Stunden begrenzt. Am Ende waren wir alle glücklich und erschöpft. Krise erfolgreich abgewendet.
Im Anschluss an die Krise hatte ich Blut geleckt und wollten mehr wissen. Neben dem theoretischen Wissen über Krisenmanagement interessierte mich besonders die Rolle des Krisenkommunikators in einer Krise – also meine potentielle Rolle. Mit Sebastian Riedel hatten wir einen erfahrenen Krisenkommunikator an unserer Seite, der regelmäßig Krisentrainings, u.a. am Frankfurter Flughafen, durchführt. Im Verlauf des Semesters hat er uns immer wieder spannende Einblicke in seinen Arbeitsalltag gewährt. Meine eigene erste Erfahrung durch die Krisensimulation und ein Gespräch mit Sebastian Riedel helfen, meine Fragen nach der Rolle und den Kompetenzen von Krisen-Profis zu beantworten.
Was macht gute Krisenkommunikation aus?
In der Simulation und dem Gespräch mit Sebastian Riedel wurde mir deutlich, dass besonders die Ruhe, Vorbereitung und das Handeln mit Bedacht Pfeiler für eine erfolgreiche Krisenkommunikation sind. Überschnelle Handlungen und Stress führen zu unpräzisen und eventuell sogar voreiligen Äußerungen. Besonders in der Krise ist es wichtig, das Informationsbedürfnis der Stakeholder zu stillen, dabei aber immer die Fakten im Auge zu behalten und keine falschen Versprechungen zu machen. Und: “Es gibt immer eine Person im Team, die hysterisch wird, darauf muss man vorbereitet sein und damit umgehen können”, sagt Sebastian. Ruhe und Besonnenheit helfe da.
Die Instrumente eines Krisenkommunikators zur Bewältigung einer Krise
Während unserer Krisensimulation habe ich gemerkt, dass mir besonders die ausführliche Vorbereitung sehr geholfen hat, Ruhe zu bewahren. Die zahlreichen Dokumente, die wir im Vorfeld vorbereitet hatten, haben mir Sicherheit gegeben. Ein wichtiger Tipp von Sebastian Riedel dazu: “Ein zentraler Ablageplatz aller Dokumente und eine klare Versionierung sind essentiell. Dies erleichtere die Kommunikation und verringere den Druck aufgrund der Geschwindigkeit.” Diese Erfahrung haben auch wir während der Simulation gemacht. Die gemeinsame Plattform hat den Medienaustausch enorm vereinfacht und damit auch unsere Reaktionsgeschwindigkeit erhöht.
Riedel ergänzt, dass heutzutage nichts mehr ohne Monitoring gehe. Die Schnelllebigkeit erfordere ein konsequentes Social-Media- und Medien-Monitoring. “Aber nicht jede Krise ist sichtbar, manche entwickeln sich langsam – manchmal kommt man in das Büro und hat ein Issue auf dem Tisch”. Damit müsse man rechnen. Im Alltag helfe ein gutes Team im Rücken. Auch diese Erfahrung haben wir gemacht. Sebastian Riedel erklärt, dass man sich auf das Team verlassen können muss in der Krise. Denn unangemessene Statements können auf die Kollegen zurückfallen. Um dies zu verhindern, würden unter anderem regelmäßig Medientrainings durchgeführt.
In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt, wie ich mich selber fortbilden kann. Dazu empfiehlt Sebastian Riedel mir den Austausch mit anderen über Krisen, sei es im Gespräch oder in Foren. Besonders das Krisenmanagement der Münchner Polizei während des Amoklaufs 2016 sei ein sehr lehrreiches Beispiel.
Wie wahrt man persönliche Distanz?
Diese Frage hat mir unter den Nägeln gebrannt, nachdem Sebastian Riedel uns von seinen Erfahrungen mit Krisen, bei denen Menschen verunglückt sind, erzählt hat. Wie geht man damit um, zahlreichen Menschen den Verlust ihrer Angehörigen zu kommunizieren?
Er gesteht, dass er immer gedacht habe, er würde nie in solch eine Situation kommen. Als es dann doch so weit war, habe ihm das Gespräch mit seinen eigenen Angehörigen geholfen, die Geschehnisse zu verarbeiten. Er empfiehlt uns, sich bewusst zu machen, dass wir anderen Menschen in der Krise helfen und nicht Profit orientiert sind. So können wir das eigene Tun vor uns rechtfertigen und uns von der Situation distanzieren.
Für mich klingt das zwar logisch, aber trotzdem kompliziert. Das Themengebiet ist spannend und reizvoll, aber die Schattenseiten kann ich nicht so leicht ausblenden. Aus Sebastian Riedels Worten ziehe ich, dass man mit der Erfahrung eine Gelassenheit entwickelt, aber trotzdem seine Menschlichkeit bewahren kann. Das beruhigt mich.
Der Reiz am Beruf des Krisenkommunikators
Abschließend hat mich natürlich noch interessiert, warum Sebastian Riedel gern in der Krisenkommunikation arbeitet. Bei einigen der vorherigen Fragen hat er erst etwas nachgedacht, bei dieser kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: “Mich reizt die Herausforderung, die Vielfältigkeit durch viele verschiedene Aufgaben und Themengebiete und die Menschlichkeit, die immer wieder mit rein spielt. Krisenkommunikation ist immer spannend!”
Tl:dr
Studierende der Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt haben in einem Kurs eine Krisensimulation durchgeführt. Dabei haben sie sowohl die Vorbereitung, als auch die Simulation durchgeführt. Sebastian Riedel, Krisenkommunikator bei Klenk & Hoursch, hat sie dabei betreut und im Anschluss unsere Fragen zum Berufsbild des Krisenkommunikators beantwortet.