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„Kein Text ist zu lang” – Ein Interview mit Tim Grasmann von grasundsterne

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Tim Grasmann
Tim Grasmann

Content Marketing heißt auch: Geschichten erzählen. Für unser Lehrprojekt haben wir mit Agenturen gesprochen, um herauszufinden, wie sich ihre Arbeit verändert und wie sie ihre Kunden beraten, wenn überall darüber gesprochen wird, wie wichtig Content in der Kommunikation ist. Eine Agentur, die sich in unserer Wahrnehmung recht früh als Contentspezialist positioniert hat, ist grasundsterne (@grasundsterne). Ihre Kunden sind zum Beispiel ista International und Basler Versicherungen. Das alles unter der Leitung von Tim Sternefeld und Tim Grasmann in Zusammenarbeit mit 36 Mitarbeitern. Wir hatten die Gelegenheit, mit Tim Grasmann (@TimGrasmann) zu sprechen.

Nutzer haben oft eine niedrige Konzentrationsspanne und vielleicht keine Lust, sich lange Texte durchzulesen. Wie schafft man es, den Nutzer auf den ersten Blick zu begeistern?

Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze und Philosophien. In erster Linie muss man das persönliche Interesse wecken. Niemand liest sich einen langen, epischen Text durch, bei dem man nicht selber entscheiden kann, welche Informationen man zu lesen bekommt. Es gibt keine ideale Länge. Es gibt nur relevanten Content. Es wäre falsch zu sagen, dass ein digitaler Text X Zeichen lang sein muss. Dieses Thema fällt unter „Scrollytelling“. Wenn gutes Storytelling mit guter Userexperience und exzellenten Interface-Design zusammen kommen, haben Sie ein gutes Scrollytelling. Dann bin ich der Meinung, dass es fast keinen Text gibt, der zu lang ist.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Storytelling gemacht?

Das schönste Beispiel für uns war 2008 ein Auftrag der SAP. Wir haben sehr komplexe IT-Sachverhalte, die schwer zu beschreiben waren, durch sehr unterhaltsame und involvierende Visualisierungen dargestellt – deswegen hat es auch einen großen Erfolg gehabt. Es ist wie an der Universität: Es gibt Professoren, die ihre Inhalte auf gähnende Art und Weise rüberbringen und keiner hat das Thema am Ende verstanden. Es gibt aber auch Professoren, die mit einer kreativen Art und Weise Inhalte lehren. Und genau darum geht es letztendlich. Man muss immer den neuen, einzigartigen Moment finden, um Dinge die man schon kannte, neu zu interpretieren.

Wie Sie schon sagten, entsteht erst die Idee und dann wählt man das Medium aus. Wie interpretieren Sie medienspezifisches Publizieren?

Medienspezifisches Publizieren heißt ja letztendlich, dass ich wissen muss, wen ich erreichen will. Nur dann weiß ich auch, über welchen Kanal ich das tun kann. Weiterhin mache ich mir Gedanken über das Format, welches am besten geeignet ist, meinen Content auszuliefern. Letztendlich muss ich dann messen, ob es erfolgreich war. Ich muss in Erfahrung bringen, wer, wie, wann und wo bestmöglich erreicht werden kann. Der Kanal am Ende ist wichtig, spielt aber zu Beginn keine Rolle. Im Vordergrund steht die Idee von dem, das kommuniziert werden soll und das Kommunikationsziel, auf das es einzahlen soll. Dann kann man sich über die Ausgabe in Print oder Digital unterhalten. Das gilt es zu eruieren.

Auf den ersten Blick nimmt man an, dass grasundsterne eine reine Content Agentur ist. Was macht Ihre Agentur aus und wo liegt Ihr Alleinstellungsmerkmal?

Ursprünglich sind wir eine Werbe- und Corporate-Publishing-Agentur. Eine reine Content Agentur sind wir nicht. Wir haben letztendlich die Synergie aus fundiertem Markenwissen und Markenberatung mit den Themen aus dem Corporate Publishing kombiniert. Heutzutage nennt man das Content-Marketing. Allerdings wurde früher sehr kanalfokussiert gedacht, heute sind die Kunden wichtiger geworden und stehen im Fokus. Die Idee von Content-Marketing ist es, Geschichten zu erzählen, die involvieren, begeistern und Verhaltensveränderungen herbeiführen. Uns 2005 zu etablieren, war also ein leichtes Spiel, weil in der Kombination wenige Konkurrenten am Markt waren.

Also waren Sie zu diesem Zeitpunkt Vorreiter und haben die Notwendigkeit von Content schnell für sich entdeckt?

Wir waren sehr schnell sehr erfolgreich. Es ist natürlich nichts gewesen, was andere Agenturen nicht auch erkannt haben. Zu sagen, was uns heute von anderen Agenturen unterscheidet, ist gar nicht mehr so einfach. Heute fokussieren wir uns nicht mehr nur auf das Content-Angebot, sondern eher darauf, dass wir dem Ganzen Strategien vorschalten. Dieser Aspekt sowie unser Schwerpunkt auf Beratung differenzieren uns von anderen Agenturen. Es geht nicht nur darum, eine möglichst breite Zielgruppe zu erreichen, sondern genau die richtige Zielgruppe zu identifizieren und zu erreichen. Es ist wichtig, Relevanz zu erzeugen und dieser auch gerecht zu werden. Heute ist ein Sechzigjähriger genau so hip wie ein Zwanzigjähriger. Das heißt, umso besser ich meine Zielgruppe kenne, um so genauer weiß ich, welche Strategien ich anwenden muss.

Mit welchen Erfahrungen und Problemen kommen die Kunden zu Ihnen?

Meistens wissen die Kunden gar nicht, was für ein Problem sie haben. In der Regel erreichen sie nicht die Menschen, die sie erreichen müssten. Früher hätte man eine schicke Kundenbroschüre und eine wahnsinnig intelligent aufgesetzte Mitarbeiterkommunikation vorgeschlagen. Das ist im Prinzip auch noch richtig, aber wir müssen hierbei den Fokus darauf legen, wer genau die Kunden und was deren Bedürfnisse sind. Ich muss alle Fakten mit einbeziehen, denn ich kann nicht ein Medium für alle verwenden.

Haben Sie eine Empfehlung, wie Menschen stets up to date bleiben?

Zum Beispiel, indem Sie Content-Circle 2.0 googlen. Wenn Sie dort eine interessante Agentur finden und dem dazugehörigen Blog folgen, dann ist schon eine ganze Menge gewonnen.

Einige Kanäle könnten es in Zukunft schwer haben. Wie sehen Sie die Medienlandschaft in fünf Jahren?

Es wird alles immer digitaler. Was sich digitalisieren lässt, wird auch digitalisiert. Das heißt nicht, dass klassische Printmedien vom Markt verschwinden werden, aber sie werden zielgerechter im Einsatz sein. Es wird zu einer Budgetverteilung ins Digitale kommen. Zum Beispiel werden nur die Häppchen serviert, die ich auch lesen möchte. Der Leser bucht also den Kanal nicht mehr über einen Verlag, sondern bekommt über eine Plattform, von allen relevanten Adressen die Informationen, die ihn interessieren. Also wird es eine stärkere Individualisierung geben. Dieser Plattformgedanke wird sich immer mehr über Branchen hinweg stellen. Ob das jetzt nur die Großen sind oder auch die Kleineren dort mal eine Chance bekommen, wird sich zeigen.

Zum Abschluss: Beschreiben Sie sich und Ihre Agentur in drei Hashtags.

#Kommunikationsstrategie #SystemizeandCreate #DistributionundAnalyse

Herr Grasmann, wir bedanken uns ganz herzlich für die Zeit, die Sie sich für uns genommen haben.

tl;dr

Tim Grasmann von @grasundsterne erzählt uns, wie erfolgreiche Kundenprojekte realisiert werden können und wieso seine Agentur ein Vorreiter im Content Marketing war. Laut Grasmann ist der Schlüssel zum Erfolg, seine Zielgruppe genau zu kennen und den Content an diese anzupassen und aufzubereiten.