Auf meinem Schreibtisch liegen so viele Bücher, wie selten zuvor. Ungewöhnlich ist diese Situation allein deshalb schon, weil es sich um Bücher handelt. Dabei habe ich meine meterlangen Tab-Aufreihungen im Browser schon vor Jahren in eine Read-it-later-Liste verbannt. Vier Jahre Studium des Online-Journalismus führten mich durch die verheißungsvollen Webdienste im Zeichen der Produktivität und Online-Collaboration.
Und jetzt also Bücher.
Das Diplom steht an und das ist eine ernste Sache. Das Problem ist nur: Bücher, und allen voran Fachbücher, sind so furchtbar unpraktisch. Ich soll aus ihnen zitieren. Aber sie sträuben sich. Sobald ich eine interessante Stelle entdeckt und für zitierwürdig erachtet habe, schlage ich das Buch auf, versetze meine Hände nur wenige Zentimeter weiter auf die Tastatur – und zu. Eine Kommilitonin hat sich für die Diplomphase extra wieder einen Buchständer organisiert.
Um die Problemstellung noch zu verkomplizieren, bin ich zu zweit. Meine Diplomarbeit verfasse ich zusammen mit meinem Kommilitonen Tobias. Und da kommt es hin und wieder vor, dass wir ein wissenschaftliches Werk gemeinsam bearbeiten wollen: Stellen markieren, kommentieren, verweisen, diskutieren – und zwar digital.
Mit Mendeley ist genau das möglich. Das Tool ist viel mehr als eine reine Literaturverwaltung – es ist ein eigenes wissenschaftliches Netzwerk, gerne auch als das “Last.fm für die Wissenschaft” bezeichnet (und in der Tat ist der Last.fm-Gründer Stefan Glänzer einer der Investoren hinter der Mendeley).
In der kostenlosen Basisversion bietet Mendeley 1 Gigabyte Webspace und das Anlegen von fünf privaten Gruppen.
Für die Diplomarbeit haben wir uns genau so eine private Gruppe angelegt, in der wir möglichst alle Rechercheergebnisse sammeln. Das hat zum einen den unschlagbaren Vorteil, dass wir im durchaus nicht unwahrscheinlichen Falle eines Laptoptotalschadens unsere Daten immer noch alle munter beisammen haben. Zum anderen sind wir immer auf dem neusten Stand unserer gemeinsamen Arbeit und können Duplikate im Literaturverzeichnis vermeiden.
Denn das ist der nächste Clou an Mendeley: Der Import von Metadaten zu einem Buch ist denkbar einfach und im Idealfall mit einem einzigen Klick erledigt. Einmal das Bookmarklet installiert, können die bibliographischen Angaben etwa von Google Scholar oder Amazon eingelesen werden. Daneben versteht Mendeley auch viele anglophone Datenbanken, da der Dienst seine Wurzeln in London und seinen Sitz in San Francisco hat. Da Mendeley aber eigentlich eine deutsche Erfindung (alle drei Gründer sind Deutsche) ist, lässt sich zuversichtlich hoffen, dass sukzessive auch immer mehr deutsche Quellen angebunden werden.
Sind die Grunddaten importiert, können sie ergänzt und mit eigenen Kommentaren und Tags versehen werden. Sowohl in der Client- als auch in der Webversion informiert der facebookesque Newsstream über neu hinzugefügte Werke; die Aktivität lässt sich ebenfalls kommentieren und sogar “liken”.
Besonders überzeugend aber ist Mendeleys Umgang mit PDFs. Whitepaper oder Studien lassen sich ebenso leicht wie die bibliographischen Daten importieren – als Nutzer der Clientsoftware einfach per Drag & Drop. Die Papers lassen sich in der Vollanzeige bequem in Mendeley selbst lesen und dort markern und kommentieren. Die Bearbeitungen sind farblich den Nutzern zugeordnet und werden stetig synchronisiert.
Die kompletten PDFs werden auf dem Mendeley-Server gespeichert und machen in diesem Fall sogar eine schon zum collaborativen Standardrepertoire gehörende Dropbox überflüssig. In der kostenlosen Basisversion stehen hierfür 500 Megabyte der insgesamt 1 Gigabyte zur Verfügung (die anderen sind für den “privaten” Ordner, der keinen Gruppen angegliedert ist).
Irgendwann, wenn all diese Daten in stundenlanger wissenschaftlicher Hingabe zusammengetragen sind, sollen sie wieder raus: in die Diplomarbeit und zwar wohl zitiert. Und da stellt sich die Frage: Harvard oder Chicago? Richtig: Dieburg. Denn auch einer kleiner Campus mit einem kleinen Studiengang kann seine eigenen Regeln haben. (Interessierte Kommilitonen finden ein Starter-Kit im Journalismus-Wiki).
Hat man einmal seinen Zitatstil gefunden, lässt er sich in Mendeley als Standard-Vorlage einstellen. Mit dem Plugin für OpenOffice oder Word ist es dann ein Kinderklickspiel und die korrekte Zitierweise ist im Dokument. Wer hinterher doch feststellt, dass er eher in Harvard als in Chicago zuhause ist, kann problemlos auf andere Zitierweisen umstellen, da Mendeley auch in externen Anwendungen lediglich Verweise setzt und diese neu “generieren” kann.
Gleichzeitig dienen die Verweise dazu, neben den Fußnoten auch das Literaturverzeichnis selbst zu erstellen.
Wenn dann am Ende eine Diplomarbeit steht und gar veröffentlicht ist, kann der stolze Diplomierte seine Publikation in seinem Profil angeben – und sich mit anderen Wissenschaftlern vernetzen. Schon jetzt sagt Mendeley-CEO Victor Henning, sein Startup sei die “weltweit größte Forschungs-Kollaborationsplatform”. Bis Ende 2011 soll Mendeley dann auch die “weltweit größte Wissenschaftsdatenbank” sein. Bisher haben die Nutzer mit mehr als 60 Millionen hochgeladenen Artikeln dazu beigetragen.
Wer die Anlernkosten investiert und von Anfang an konsequent eine Literaturverwaltung benutzt, dürfte sich am Ende viel Frust und Zeit sparen. Bücher allerdings liegen immer noch auf dem Schreibtisch. Idealerweise gäbe es alle nötigen Werke sowohl in gedruckter als auch digitaler Form, so dass der Autor stets die Wahl hat. Mit Verlagen wie Springer ist ein Anfang gemacht, doch noch sind die zig verschiedenen Systeme zu starr für wirklich reibungsloses collaboratives Arbeiten. Mendeley wäre technisch soweit – hoffen wir auf bessere Urheberrechtszeiten.
Für den Einzelgänger: Ich synchronisiere meine Endnote X4 Library über Dropbox. Funktioniert einwandfrei, ich kann daheim arbeiten und es ist auch noch alles gesichert!
(Habe ich leider erst NACH meiner Diplomarbeit kennengelernt)
Hey Till,
danke für den Hinweis. Ähnliches (vermute ich mal) scheint auch mit Mendeley und Dropbox zu gehen, wobei ich gerade nicht einschätzen kann, ob dann die Kommentare und Hervorhebungen so bequem einzusehen sind:
http://rongray.net/organizing-and-syncing-journal-articles-using-mendeley-and-dropbox/
Falls Sie den Dieburg-Stil schon gebastelt haben, wäre cool, wenn dieser über’s Wiki zugänglich wäre 🙂
Ich bilde mir ein, dass „Harvard Reference format 7 (Author-Date) (de)“ unserer Zitierweise entspricht. Können Sie das bestätigen?
Ja, das sieht gut aus.
Will man es ganz genau, habe ich drei Kleinigkeiten gefunden:
– Bei Onlinequellen mache ich es so, dass ich bei der Erfassung ggf. unter Publication eine Spezifikation vornehme. Also z.B. „PR-Fundsachen (Weblog)“. Ist Geschmacksache, ich finde diese Orientierung ganz hilfreich. Wichtig ist, das Feld „Date Accessed“ auszufüllen
– Ein klein wenig seltsam klingt dann die von Mendeley produzierte Aussage „Online im Internet URL http… „, aber damit kann man im Zweifel leben.
– bei Herausgeberbänden ist die Übersetzung nicht ganz vollzogen: Statt „Hg.“ wird „eds“ verwendet.
Das ist ja merkwürdig, dass das nicht konsequent übersetzt wurde.
Es gibt sonst zwei Möglichkeiten, noch an andere Stile zu kommen. Entweder man durchforscht die endlose Liste auf Zotero und importiert den gewünschten Stil zu Mendeley:
http://macokratie.blogspot.com/2010/04/zotero-zitationsstile-in-mendeley.html
Oder man legt doch selbst Hand an:
http://www.crea-doo.at/weblog/2009/06/14/mendeley-eigene-zitatstile-definieren/
Hallo.
Wir sind hier an der Uni eine Projekt-Gruppe die zur gemeinsamen Nutzung von Forschungsliteratur Mendeley und Zotero zunächst testweise als kostenlose Version nutzen will. Wenn wir uns für eine Software entschieden haben, würden wir einen kostenpflichtigen Account beantragen, da wir mind. 8 GB brauchen.
Nun ergeben sich folgende Fragen, wo wir nicht weiter kommen:
zu Mendeley:
Man kann wohl ein PDF-File nur bis ca. 50 MB in der eigenen, lokalen Bibliothek hochladen/importieren.
Weiß jemand, ob man bei den kostenpflichtigen Accounts größere PDF-Files hochladen/importierten kann?
Und….weiß jemand, wie groß ein PDF-File sein darf, dass man beispielsweise online, also in einer „cloud“ hochlädt? Und gibt es da Unterschiede in Bezug auf kostenlose und kostenpflichtige Nutzung von Mendley bezüglich der Größe?
zu Zotero:
Wir haben massive Probleme damit, nach Zotero Datensätze aus Endnote zu importieren, so dass die PDF’s „mitkopiert“ werden. Es wird zwar danach immer eine URL. angezeigt, aber das PDF lässt sich nicht öffnen! Die Anleitungen, die wir gefunden haben, sind auch nicht so der Hammer!
Kennt sich einer aus, wie man da genau und richtig vorgeht?
Wir wären für eure Hilfe und Ideen echt dankbar!
Grüße.
Hallo Divida,
die Dateigröße ist für Uploads auf 50MB beschränkt und gilt leider sowohl für kostenlose als auch für kostenpflichtige Accounts. Habt Ihr PDFs, die größer als 50MB sind, oder sind es andere Attachments? Welche Upload-Limits würdet Ihr benötigen?
Beste Grüße aus London,
Victor
Hallo nach Berlin!
Dieser konkreten Problemstellung bin ich tatsächlich noch nicht begegnet, für unsere Diplomarbeit hat damals die kostenlose Version ausgereicht.
Aber ich habe Mendeley-Gründer Victor Henning mal auf euch aufmerksam gemacht, er kann sicher weiterhelfen: https://twitter.com/#!/dasKerst/status/154867425488273409
Zu Zotero kann ich leider nichts sagen, vielleicht kennt sich jemand anders hier aus?
Beste Grüße aus Darmstadt
Kersten