Die ungeschönte Wahrheit? Unverblümt und in your face? Okay: Viele mögen Kai Diekmann nicht. Nun, damit muss man rechnen, wenn man Chefredakteur der BILD-Zeitung ist. Kai Diekmann weiß das – und zieht die Kosequenzen. Er geht in die Gegenoffensive.
Seit Montag (26. Oktober) ist sein ganz persönliches Blog online. Ein schick in BILD-Farben aufgemachter kleiner Tritt nach allen, die ihm vorwerfen, sich nicht öffentlich der Kritik stellen zu wollen. Schon vom Launch an ist die Diekmann-Show vollgepackt mit zahlreichen Posts, die sich in vielsagende Kategorien wie „Ich“, „Meine kleine Welt“, „Unter Kollegen“, „Anwalts Liebling“, und „Mein Fanclub“ gliedern. Nicht fehlen darf natürlich die Rubrik „Meine taz“, in der er gegen die linksgerichteten Berliner Kollegen betzt – oder sie gleich mokant an seinem Ego abprallen lässt.
Interessantes findet sich im Themenbereich „3 Fragen an mich„, der bisher leider nur einen Eintrag enthält. Hier interviewt Diekmann sich selbst und gibt dabei Antwort auf die Frage, was ihn so plötzlich zum Blogger mache. Seine Antwort enthält alles, was man wissen muss: „Ich bin einfach unheilbar eitel. Deshalb halte ich es ja auch für eine gute Idee, Interviews mit mir selbst zu führen… Es geht eher um öffentliche Aberkennung [sic!]. taz, Süddeutsche, Spiegel usw. bemühen sich redlich, werden mir aber einfach nicht gerecht – ich bin viel, viel schlimmer! Und nicht nur ich, die anderen auch.“
Es dürfte klar sein, wohin hier welcher Hase läuft. Springer hat dem BILD-Chef ein wohlvorbereitetes Werkzeug geschmiedet, mit dem er seinen Gegnern den polemischen Wind aus den Segeln nehmen, Vorwürfe und brisante Thematiken nippifizieren und selbst nach Lust und Laune Gift gegen alles verspritzen kann, was ihm beliebt.
Die Medienkollegen haben es registriert. Hurtig veröffentlichte die taz online einen offenen Brief an Springer-Chef Mathias Döpfner, in dem Redakteur David Denk ein wenig uninspiriert Diekmanns mangelnde Auslastung als Chefreakteur bestichelt. Zeit.de ging das Ganze seriöser an und bestellte schnell mal den Medienjournalist, A-Blogger und BILD-Blog-Gründer Stefan Niggemeier zum Interview.
Dieser durchschaut das Vorhaben natürlich sofort: „Es ist schon clever, sich so darzustellen, als sei man total locker und offen für Kritik – insbesondere wenn man es nicht ist.“ Und: „Bislang hat Diekmann sich weitgehend aus der Öffentlichkeit ferngehalten und so versucht, sich Kritik nicht stellen zu müssen. Die neue Variante ist viel geschickter: Er entzieht sich einer ernsten Auseinandersetzung trotzdem – dadurch, dass er selber sagt, was er für ein schlimmer Finger ist, die Kritik läppisch wirken lässt und alles ironisiert.“ Auf die Frage, ob sich Diekmann damit unangreifbar mache, urteilt Niggemeier: „Es wirkt zumindest unangreifbar. Und es hat dazu noch einen deutlich höheren Unterhaltungswert als die alte Methode. Immerhin kann man es sich nun durchlesen und denken ‚was für eine coole Sau‘.“
Und jetzt die alles entscheidende Frage: Was hat das alles in diesem Blog zu suchen? Die Anwort ist zu banal, um sie in großer Ausführlichkeit zu geben: Hier macht jemand, dem bewusst ist, vielerorten für ein dekadentes Schwein mit tiefsitzendem Hass auf die 68er gehalten zu werden, zum Schein auf kommunikative Transparenz. Springer und Diekmann machen PR für Diekmann. Und damit unabdingbar für die BILD-Zeitung. Denn dies ist „ein Blog von und mit mir: meine Meinung, mein Merchandising, meine kleine Welt (aus der sich BILD nicht ganz wegdenken lässt, zugegeben).“
Nippifizieren? Kommt das von nippen?
Die „coole Sau“ ist in den „drei Fragen mich“ voraussichtlich auf 100 Tage begrenzt. Schaun mer mal…