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Deutsche Bahn: Von der kanalzentrierten zur themenzentrierten Content-Strategie

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Nico Kirch im Interview

Die Deutsche Bahn AG (DB) erlebt seit 2013 einen Wandel in ihren Kommunikationsabteilungen. Wir, die PR-Fundsachen, haben Nico Kirch von der DB zum Wandel ihrer Kommunikationsstrategie interviewen können. Wir sprachen über den Umgang mit Content und die dahinter stehende Content-Strategie, über die damit verbundenen technischen Aspekte und die fachlichen Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter in der Kommunikationsabteilung.

[su_note note_color=“#DCF1F8″ radius=“6″]Nico Kirch (@nico_kirch) hat an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Dienstleistungsmarketing studiert. Seit Mitte 2013 ist er Social Media Manager für den Personenverkehr der Deutschen Bahn. Privat organisiert er den Twittwoch Rhein-Main.[/su_note]

Können Sie uns kurz Ihre Aufgaben und Arbeitsweise bei der Bahn beschreiben?

Vorab: Ich arbeite nicht in einer klassischen Kommunikationsabteilung. Ich bin im Online-Vertrieb bei der Bahn tätig: Wir arbeiten als Dienstleister für den Personenverkehr, sprich für den Fern- und Nahverkehr. Wir sind für alles verantwortlich, was im Digitalbereich für den Personenverkehr passiert. Dazu gehören bahn.de, inside.bahn.de, die App DB Navigator, die Social-Media-Strategie sowie die Social-Media-Auftritte des Personenverkehrs und alles, was mit Onlinebuchung und -auskunft zu tun hat. In unserem Haus sind außerdem die Influencer Relations für den Personenverkehr angesiedelt. Zu den Aufgaben gehören auch die Weiterentwicklung des Content-Management-Systems und der Customer-Engagement-Plattformen: Das ist erstmal eine Service Community. Bei inside.bahn.de stellen wir Hintergrundinformationen zur Verfügung. Ich bin für die Strategie und technische Weiterentwicklung dieser Customer-Engagement-Plattformen zuständig. Dadurch habe ich viele Schnittstellen zu den Redaktionen, die die Inhalte für die Plattformen erstellen. Bei der Bahn gibt es noch eine Abteilung für die Marketingkommunikation des gesamten Konzerns. Hinzu kommt das Kampagnenmanagement, das für alle großen Marketing-Kampagnen zuständig ist, sei es TV, Plakat, Radio und Online. Eine weitere Abteilung verantwortet die klassische Pressearbeit.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

Zuerst schaue ich in meine diversen Tickettools. Wir arbeiten mit externen als auch mit internen Anbietern und Dienstleistern zusammen. Also geht der erste Blick in diese Tickettools, um zu schauen, welches Ticket der jeweilige Anbieter und Dienstleister bearbeitet, was die technische Weiterentwicklung betrifft und wo es noch Rückfragen gibt. Gegen 9 Uhr setzen wir uns zusammen mit der Redaktion: Dort wird besprochen, was wir gestern gemacht haben und was heute zu tun ist. Anschließend geht es ans klassische Abarbeiten aktueller Aufgaben sowie langfristiger Aufgaben strategischer Natur. Gestern beispielsweise haben wir viel über Twitter diskutiert und wie wir diesen Kommunikationskanal weiterentwickeln können.

Durch den Wandel in der Kommunikationswelt wird immer mehr Content geniert und Expertise gefordert. Wie beurteilen Sie den Umgang mit Content bezogen auf Ihr Unternehmen?

Bezogen auf die Customer-Engagement-Plattformen, sprich Facebook, Twitter, Google+, YouTube und inside.bahn.de, hat sich in den letzten zwei Jahren viel gewandelt. Wir kommen aus einer starken kanalzentrierten Strategie. Facebook stand im Mittelpunkt, und Inhalte wurden zumeist mit Fokus hierauf entwickelt. Vor zwei Jahren haben wir entdeckt, dass diese Strategie nicht mehr die Richtige für uns ist.
Aus verschiedenen Gründen: Einmal wird viel Geld in die Contentproduktion gesteckt – für Content, der sehr kurzlebig ist. Der Content ist so gut wie nicht durchsuchbar, nicht bleibend – dagegen steht der Aufwand meist nicht im Verhältnis.
Also haben wir uns zusammengesetzt und uns gefragt: Wie müssen wir unsere Content-Strategie überarbeiten? Wir sind dann dazu übergegangen, eine themenzentrierte Content-Strategie zu etablieren.

Ein Beispiel: Das Thema „Familienreise mit der Bahn“. Hat man ein solches Thema, wird geschaut, welche Storys hierzu erzählt werden können. Wie zum Beispiel: „Wie findet man als Familie den besten Platz im Zug“ oder „Wo unterstützt mich die Bahn bei der Reise mir meinem Kind“ oder auch sachliche Informationen wie z.B., dass Kinder bis zum 15. Lebensjahr kostenlos mit ihren Eltern oder Großeltern mit der Bahn fahren. Danach wird überlegt mit welchem Format die Geschichte umgesetzt werden kann und auf welchem Kanal diese am besten platziert wird.
In diesem Zuge haben wir einen Content-Hub gebaut, auf dem wir unsere Inhalte platzieren und von dort in die Social-Media-Kanäle verteilen können. Dieser Content-Hub ist mit inside.bahn.de entstanden; die Plattform ist seit einem Jahr online. Dort können wir unter anderem längere Inhalte in verschiedenen Formaten aufbereiten, die durchsuchbar sind.

Gibt es dann einen Chef vom Dienst, der alles auf den Tisch bekommt?

Perspektivisch ja, im Moment noch nicht. Themen, die auf mehreren Kanälen gespielt werden und eine größere Planung benötigen, haben einen Content-Planer, der die Rolle des Chefs vom Dienst einnimmt. Wir haben aber auch das tägliche Geschäft, wenn mal wieder ein Bild auf der Internetseite ausgetauscht oder drei Sätze geändert werden müssen. Wenn sich Konditionen von einem Produkt ändern, wird das niemals über den Tisch des Content-Planers laufen.

Haben sich durch die generellen Anpassungen auch die räumlichen Strukturen geändert?

Durch das starke Wachstum des Online-Vertriebs hat sich die räumliche Situation innerhalb des Hauses geändert. Das war unter anderem auch getrieben durch organisatorische Anpassungen. Heute gibt es eine zentrale Redaktion für alle Kanäle. Vorher hatten wir getrennte Redaktionen, das heißt, eine Redaktion für Social Media, eine für bahn.de und eine Redaktion für so genannte Tochterseiten, die organisatorisch getrennt waren. Räumlich sitzen jetzt auch alle Redaktionen, das Strategie-Team und die Entwickler des Content-Management-Systems direkt nebeneinander.

Müssen sich die fachlichen Kompetenzen der Mitarbeiter ändern durch die neuen Strukturierungen?

Was die Kompetenzen betrifft, kommt es darauf an, wie man am Ende die tägliche Arbeit strukturiert. Nur weil es organisatorisch jetzt eine Redaktion gibt, die als großes Team arbeitet und alle Kommunikationskanäle bedient, bedeutet dies nicht, dass jeder Redakteur Inhalte für jeden einzelnen Kanal schreiben können muss. Es wird weiterhin spezialisierte Redakteure geben, die eben für den Newsletter oder auf die Engagement-Plattformen spezialisiert sind. Wenn einer für alle Content-Plattformen spezialisiert wäre, müsste er sich auf mindestens drei bis vier Systemen fit halten. Ich denke, wir fahren besser, wenn wir weiterhin spezialisierte Mitarbeiter haben, ein Thema über alle Kanäle hinwegdenken und so versuchen, die Silos einzureißen.

Was bietet die DB an, um ihre Mitarbeiter auf den Wandel durch die Digitalisierung vorzubereiten? Schulungsmaßnahmen, regelmäßige Workshops, gibt es etwas in dieser Richtung?

Das Thema Digitalisierung hat innerhalb des Konzerns einen hohen Stellenwert. Es wurden über 260 Projekte zum Thema Digitalisierung aufgesetzt in denen betrachtet wird, wie die Digitalisierung unser Kerngeschäft verändert, welche Chancen sie bringt und welche Risiken sich daraus ergeben. Diese Projekte werden von Mitarbeitern der verschiedensten Abteilungen getragen. Dadurch haben wir viele neue Aufgaben im Arbeitsalltag und dürfen auch vieles ausprobieren. Selbstverständlich geht damit auch das Lernen neuer Methoden und Techniken einher. Hierzu gibt es die Möglichkeit DB-interne oder auch –externe Seminare zu besuchen. Das bespricht jeder Mitarbeiter mit seinem direkten Vorgesetzten. Neben Seminaren empfinde ich Barcamps und Konferenzen immer als sehr hilfreich, da der Austausch mit anderen Experten aus dem Bereich sehr wichtig ist.

Wie sieht das Publizieren in die verschiedenen Kanäle bei der Bahn technisch aus?

Für die Engagement-Plattformen benutzen wir ein einheitliches Planungs- und Workflowtool für die Redaktionsplanung und -steuerung. Dort findet die Themenplanung statt und der Prozess wird so gesteuert, wie wir ihn haben wollen – nämlich vom Thema über das Format zum Kanal. Bei anderen Kanälen läuft der Planungsprozess derzeit noch über Excel-Listen. In naher Zukunft ist geplant ein einheitliches Planungssystem für alle Kanäle einzusetzen. Bei den Content-Management-Systemen (CMS) ist es ebenfalls heterogen. Wir haben ein CMS für bahn.de, das eine auf einer Open-Source-Lösung basierende Eigenentwicklung ist und WordPress als CMS für inside.bahn.de. Für Facebook, Twitter und Co. wird das Publizieren allerdings größtenteils über deren eigenen Mechanismen gemacht.

Wie halten Sie sich up to date, um sich in der wandelnden Kommunikationswelt zurechtzufinden?

Das meiste passiert tatsächlich über selbstgesteuertes Informieren oder den Austausch mit anderen. Wie oben schon gesagt bin ich ein sehr großer Freund von Barcamps und von Konferenzen. Klassische Seminare empfinde ich persönlich nur als bedingt hilfreich für fachliche Weiterbildung. Da schätze ich eher den persönlichen Austausch mit Kollegen oder Bekannten, die in der Kommunikationswelt selbst agieren. In sozialen Netzwerken hat man die Chance, sich über diverse Themen mit Nutzern auszutauschen. Des Weiteren lese ich relativ viel in Blogs.

Können Sie uns zum Abschluss noch etwas mit auf den Weg geben, für uns als angehende Onlinekommunikatoren?

Das erste und wichtigste ist, immer möglichst offen an Themen heranzugehen, einen Blick über den Tellerrand zu wagen und zu versuchen Dinge mal anders zu denken. Das ist nicht immer einfach, da hierfür auch bekannte Strukturen aufgebrochen werden müssen. Ich muss mich selbst auch immer wieder selbst daran erinnern, nicht in einen gewissen Trott zu verfallen und alles so zu machen, wie wir es immer schon gemacht haben. Habt den Mut, einmal etwas anderes zu probieren oder auch sich mal mit Kollegen hinzusetzen und zu überlegen: Was können wir da anders machen?“. Das sollte man sich bewahren und sich immer wieder selbst bewusst machen.

Viele sind noch dabei, sich vorzutasten und Sachen auszuprobieren. Das ist das Wichtigste, alles auszuprobieren, sei es auch die verrückteste Idee. Hauptsache, es besteht die Möglichkeit, das Ganze am Ende auszuwerten, um zu erkennen, was passt und was nicht und meine jeweiligen Ziele unterstützt.

Vielen Dank Nico Kirch für die Einblicke!

tl;dr

Nico Kirch von der Deutschen Bahn erzählt im Interview über den Wandel in der Kommunikation. Wir sprachen über seinen Arbeitsalltag, den Umgang mit Content und der dahinter stehenden Content-Strategie, über die Expertise der einzelnen Mitarbeiter und deren Fortbildungsmöglichkeiten, um die Herausforderungen des Wandels bewältigen zu können.