„Gnade für Gnadenlose – zweite Chance für Mörder?“ So lautete der Titel der heutigen Sendung von Sabine Christiansen – ab 21.45 Uhr live im Ersten. Der Titel dieser Sendung hat aber noch ein klein wenig Erklärungsbedarf. Es geht im konkreten Fall um die Frage der (z. T. vorzeitigen) Haft-Entlassung der ehemaligen RAF-Terrosisten Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar.
Fehler in der Formulierung der Online-Umfrage mit entsprechend eindeutigem Zuschauervotum sowie eine zumeist unsachliche, von persönlichen Erlebnissen geprägte und am Thema vorbei geführte Diskussion sind aber nicht der eigentliche Kommunikations-Gau dieser Sendung. Dieser fand erst danach statt…
Der von ARD.de bzw. der Christiansen-Redaktion (theoretisch) zur Verfügung gestellte Online-Chat, in dem man mit einem der heutigen Gäste, Gerhart Baum, die Möglichkeit haben sollte, sich nach der Sendung weiter auszutauschen, hielt dem Andrang Diskussionsfreudiger leider nicht ganz Stand.
Schade – war Gerhart Baum, seines Zeichens ehemaliger Bundes-Innenminister und FDP-Mitglied, doch der Einzige, der eine klare, nüchterne und nicht von persönlichem Schicksal überschattete Meinung, vertrat. Eine Meinung aufgebaut auf Fakten und vor allem: den in der deutschen Verfassung garantierten Grundrechten. Witzig eigentlich, wie zwei Gäste – offensichtlich generelle Gegner einer Freilassung – sich darüber hinwegsetzen und den Tätern von damals aber zurecht das gleiche vorwerfen. Das aber nur am Rand.
Bereits wenige Sekunden nach bekanntgabe der Internet-Adresse mit der Möglichkeit zu einem Online-Chat mit Herrn Baum warf die Website der Sabine-Christiansen-Show nur noch sehr kryptische typo3-Fehlermeldungen aus. Bis zum totalen Kollaps bzw. einer vermeindlichen Abschaltung der Seite. Im Laufe des Abends hat sich auch nicht mehr viel geändert, bis die Seite gegen 23:30 wieder online ging, der Chat aber angeblich schon voll sei (offenbar von einer Sekunde auf die andere). Ein Anruf in der lange besetzten Zuschauerredaktion zeigte, dass man hier schon auf Galgenhumor umgeschaltet hatte, was aber sehr amüsant war.
Was die PR-Maßnahme des Online-Chats betrifft, den offensichtlich auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen nach langen Anlaufschwierigkeiten für sich entdeckt hat, so gilt: gut gedacht ist noch lange nicht gut gemacht!
Natürlich kann so eine Panne immer einmal vorkommen, aber sie sollte es eben nicht. Und dass kontroverse Themen im Chat einer Prime-Time-Sendung auch mal etwas mehr Traffic erzeugen können als üblich ist, sollte auch die ARD mittlerweile bemerkt haben. Online-Chats sind nämlich schon lange kein „must-have-to-show-innovation“ mehr, sondern ein für den öffentlichen Meinungsaustausch unentbehrlich gewordener Kanal – nur mal als kleiner Tipp für Anne Will, die Frau Christiansen demnächst beerben wird oder die nächste quälende Intendanten-Sitzung.